Jugendrichter kassiert bei Privatknast für Insassen

USA Nach der Methode „Cash for Kids“ schickte Richter Jugendliche nach kurzem Prozess in Knast

Nach nur eineinhalb Minuten Prozess stand das Urteil fest: 90 Tage Gefängnis

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Mehr als 2,8 Millionen Dollar Bestechungs- und Erpressungsgelder soll ein Jugendrichter im US-Bundesstaat Pennsylvania kassiert haben. Das Geld kam von dem Bauherrn und von dem Betreiber eines Privatgefängnisses, in das der Richter seit dem Jahr 2002 tausende von Jugendlichen eingewiesen hatte: Er verurteilte sie zu drakonischen Gefängnisstrafen. Auch für so minimale Vergehen wie den Diebstahl von Muskatnuss. Die auf Abschreckung setzende US-Politik der „Zero Tolerance“ (Null Toleranz) macht es möglich.

Doch seit dieser Woche steht der Exjugendrichter Mark A. Ciavarella (60) in Scranton (Pennsylvania) vor Gericht. Als Jugendrichter im Luzerne County machte er kurzen Prozess. Manche seiner jugendlichen Angeklagten wurden schon nach weniger als zwei Prozessminuten mit Gefängnisstrafen abgeführt. VerteidigerInnen hatten nur die wenigsten jugendlichen Angeklagten. Jetzt drohen dem Richter selbst zwanzig Jahre Gefängnis wegen Erpressung und Bestechlichkeit. Richter Ciavarella soll die erste große Geldsumme von einem Bauträger kassiert haben. Nachdem der Richter angekündigt hatte, das staatliche County-Gefängnis zu privatisieren, durfte der Bauherr ein neues, privates Gefängnis bauen. Es bekam den irreführenden Namen „Child Care“.

Der zweite Teil des Geldes kam von einem früheren Anwalt, der ab 2002 das Privatgefängnis betrieb. Robert Powell (51) erhielt von dem Richter einen Zwanzigjahresvertrag für sein Privatgefängnis. „Du machst eine Menge Geld“, habe der Jugendrichter ihm gesagt, erklärt Powell: „Du musst für dieses Privileg zahlen.“

Gefängnisbetreiber Powell zahlte jahrelang. Zweimal versuchte er sich durch Auslandsaufenthalte in Costa Rica und Italien dem geldgierigen Richter zu entziehen. Doch kaum war der Gefängnisbetreiber zurück in Pennsylvania, schickte der Richter ihm bereits seine EmissärInnen – darunter auch eine Rechtsanwältin.

Der Gefängnisbetreiber wechselte erst die Seite, als das FBI vor drei Jahren Ermittlungen über Bestechungen in Luzerne County begann. Im Auftrag der Ermittler ging Powell damals „verkabelt“ zu einem Treffen, bei dem der Jugendrichter mehr Geld verlangte. Seither hat sich der Gefängnisbetreiber der Bestechung für schuldig bekannt. Bei dem Prozess in Scranton ist er jetzt der Hauptzeuge der Anklage. Er sagt heute, er habe befürchtet, den Zwanzigjahresvertrag für das von ihm betriebene Gefängnis zu verlieren, wenn er dem Richter kein Geld zahle.

Zur Tarnung der Bestechungsgeldzahlungen bezeichnete der Gefängnisbetreiber einen Teil seiner Zahlungen an den Richter als „Miete“ für eine Wohnung in Florida. Andere Geldbeträge gingen in bar an den Richter. MitarbeiterInnen von ihm sollen sie in kleinen Kartons zum Jugendgericht getragen haben.

Seit das Geschäft „Cash for Kids“ in Pennsylvania bekannt geworden ist, hat die Justiz mehr als 6.000 Urteile von Richter Ciavarella über Jugendliche im Luzerne County überprüft. Am ersten Verhandlungstag gegen den ehemaligen Jugendrichter berichtet die Mutter eines seiner Opfer den JournalistInnen, dass ihr Sohn nach eineinhalb Minuten in Hand- und Fußfesseln für neunzig Tage ins Gefängnis abgeführt wurde. Wegen einer Schlägerei ohne Verletzte. „Was er getan hat, war nicht richtig“, sagt die Mutter, „aber eine so harte Strafe hat mein Sohn nicht verdient.“

Die USA sind im internationalen Vergleich das Land mit den prozentual meisten Gefängnisinsassen. Ende 2009 saßen 3 Millionen Menschen in den USA hinter Gittern. Zahlreiche weitere hatten Bewährungsstrafen. Bei den Prozessen vor den Jugendgerichten kennen die Angeklagten, von denen manche gerade erst in der Pubertät sind, nur selten ihre Rechte. Die meisten erscheinen deshalb auch ohne VerteidigerInnen vor Gericht.