Wo Gold mehr wert ist als Leben

RUMÄNIEN 300 Tonnen Gold will eine Bergbaufirma in den Westkarpaten fördern – per Zyanid-Verfahren. Dagegen kämpft eine Bürgerinitiative – auf fast verlorenem Posten

300 Millionen Kubikmeter Zyanidabfälle hinter einem 185 Meter hohen Damm

VON JOACHIM COTARU

BUKAREST taz | „Bergbau: Die einzige Chance für Rosia Montana!“ So empfängt ein Banner der Goldminen-Befürworter dieser Tage BesucherInnen in dem malerischen Ort in den Westkarpaten, irgendwo zwischen Cluj und Alba Iulia. Rund 2.500 Menschen sind zum Fan-Fest angereist. Drei Tage lang ist das Dorf am Wochenende eine große Bühne für Musik und Filme, Bauernmarkt und Debatten. Angestellte der Rosia Montana Gold Corporation (RMGC), ehemalige GrundstücksbesitzerInnen und mehrere Vereine demonstrieren aus diesem Anlass für den Goldtagebau. Und sie haben viele Freunde. Der Gemeinderat untersagt seit der Ausweisung des Ortes als Industriegebiet vor zehn Jahren jegliche Alternativen zum Bergbau: keine Pension kann gebaut, keine landwirtschaftliche Investition getätigt werden.

Viele Menschen haben ihren Grund und Boden schon vor vielen Jahren der RMGC verkauft und sich einen Arbeitsplatz bei der Firma erhofft. Nun sitzen sie in Häusern, die ihnen nicht mehr gehören, oft ohne den erwarteten Arbeitsplatz und ohne Chance auf andere Einkommensmöglichkeiten. Sie hatten nicht mit Widerstand gerechnet, der nun seit über zehn Jahren die Zerstörung von Rosia Montana verhindert. Auch wenn die RMGC mit aufwändigen Restaurierungsprojekten dem Abbau von rund 300 Tonnen Gold ein grünes Gesicht geben möchte – am Ende bliebe nur ein musealer Ortsrest unterhalb eines 185 Meter hohen Damms übrig, der 300 Millionen Kubikmeter zyanidhaltige Abfälle beinhalten würde und in dem der Ortsteil Corna völlig verschwinden wird.

Wegen des Zyanid-Verfahrens hat auch Ungarn Einwände gegen das Projekt. Laut der internationalen Espoo-Konvention müssen sich Regierungen informieren, wenn große Projekte jenseits der Staatsgrenze Einflüsse auf die Umwelt haben könnten. Entscheidend für den Widerstand ist aber die lokale Bürgerinitiative.

Im Jahr 2000 schlossen sich Einwohner des Ortes im Verein Alburnus Maior (so der lateinische Name des Ortes) zusammen, die ihre Häuser nicht der RMGC verkaufen wollten. Waren es zu Beginn fast 1.000 Mitglieder, so sind heute noch etwa 60 im Verein aktiv. Sie sind eindeutig in der Minderheit, pochen aber auf ihr Eigentumsrecht. Das soll nun per Gesetz ausgehebelt werden. Nachdem eine Gesetzesvorlage in aller Stille bereits den rumänischen Senat passiert hat und von den relevanten Kommissionen für gut geheißen wurde, soll sie im September dem Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vorgelegt werden. „Ich bin nicht verängstigt, ich bin empört!“, sagt Eugen David, Bauer und Vorsitzender von Alburnus Maior. Denn der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, Inhabern von Schürfrechten auch gleich das Recht auf Enteignung zuzugestehen. Die RMGC könnte dann einen selbst bestimmten Schätzpreis für ein Grundstück oder Haus auf ein Sperrkonto überweisen. Die so bereits enteignete Person könnte vor Gericht nur noch über die Höhe der Entschädigung streiten.

Alburnus Maior hat die Firma bereits Dutzende Male vor Gericht gezerrt und über 60 Prozesse gewonnen. Doch den GegnerInnen des Projekts schlägt mit dem neuen Gesetz nun ein härterer Wind entgegen. Vor kurzem entzog das Bukarester Kultusministerium den archäologischen Funden in den umliegenden Bergen mit ihren aus der Römerzeit stammenden Stollengängen seinen Schutz. Auch Präsident Basescu unterstützt mittlerweile offen das Gold-Projekt. Aus Sicht von Stefania Simion, Rechtsberaterin der Kampagne, stellt sich die Situation so dar: „Offensichtlich handelt es sich um ein Gesetz, um die Goldmine in Rosia Montana durchzuboxen und dabei kein anderes Gesetz respektieren zu müssen. Das ist eine brutale Verletzung unserer Verfassung, die das Recht auf Eigentum und die Gleichheit der Menschen vor dem Recht garantiert.“ Daher soll versucht werden, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfes vor Gericht prüfen zu lassen. Auch auf europäischer Ebene soll dringend für Öffentlichkeit gesorgt werden – schließlich ist Rumänien wegen seiner fragwürdigen Rechtsstaatlichkeit noch immer einem EU-Monitoring unterworfen.

Beim Fan-Fest hat sich gezeigt, dass die ProjektgegnerInnen bereit sind, sich über das zentrale Anliegen der Kampagne hinaus Fragen zu stellen, die in Rumänien durchaus als heikel zu betrachten sind. Sich beispielsweise für die Romabevölkerung einzusetzen, wird für gewöhnlich mit unverhohlener Ablehnung honoriert. So war die Vorführung des Films „Unsere Schule“ von Mona Nicoara über die behördlich sanktionierte Ausgrenzung von Roma-Kindern ein mutiger Schritt. Das Publikum in Rosia Montana zeige ein neues Gesicht des Landes, so die Regisseurin: „Dies ist ein Publikum mit Interesse an sozialem Wandel, verantwortlichem Umgang mit Rumäniens Menschen und Reichtümern, auch für künftige Generationen.“