Wahl in Argentinien: Cristina Kirchner vor Wiederwahl

Die Präsidentin und Witwe ihres beliebten Vorgängers dürfte schon im ersten Wahlgang wiedergewählt werden. Alles andere wäre eine große Überraschung.

Will nochmal: Cristina Kirchner. Bild: reuters

BUENOS AIRES taz | "Fuerza Argentina - Cristina 2011". Das Motto in hellblau-weißen Landesfarben getaucht. Hellblau-weiß wirbelt Konfetti durch die Luft. Klatschen, Singen, stehender Applaus. Auftritt der Präsidentin im schwarzen Kleid der Witwe. Es geht um Argentinien, um die Erfolge der letzten Jahre, um das Gefühl, Großes zu erleben und selbst ein Teil davon zu sein.

"Néstor ist nicht tot" skandiert das junge Publikum auf den Rängen. Ihren Kindern werden sie einmal von der Zeit erzählen, als Néstor Kirchner noch lebte, so wie das ältere Publikum im Parkett von damals, als Perón noch lebte. Zwei Generationen, zwei Überväter. "Perón Perón, que grande sos" schmettert der endlose Marcha Peronista durch den Saal. Im linken Rang hängt ein Porträt. Von Néstor? Von Perón? Beider Gesichtszüge fließen ineinander. Zufall, Absicht?

Nichts war Zufall beim letzten Auftritt von Cristina Kirchner vor dem Urnengang am Sonntag. Handverlesen war das Publikum im 1.800 Plätze kleinen Teatro Coliseo im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires. Alles andere als ein Sieg der amtierenden Präsidentin Cristina Kirchner im ersten Wahlgang wäre eine Überraschung.

Mitte August hatte sie die Vorwahlen mit über 50 Prozent gewonnen. Die Herausforderer waren weit abgeschlagen: Der Sohn von Expräsident Raúl Alfonsín von der sozialdemokratischen Radikale Bürgerunion, Ricardo Alfonsín, der Expräsident Eduardo Duhalde vom rechten Flügel der Peronistischen Partei sowie der Sozialist Hermes Binner. Sie gelten als chancenlos.

Aufzählung der Fehler der Vergangenheit

Im September 2010 sah das noch anders aus. Da dümpelten die Umfragewerte für die Präsidentin unter 35 Prozent. Mit dem überraschenden Tod ihres Amtsvorgängers und Ehemanns Néstor Kirchner am 27. Oktober 2010 änderte sich das schlagartig. Kirchers Tod hinterließ zunächst ein Machtvakuum und viele Fragezeichen. Die Trauerfeiern und ihr seitheriges Auftreten als Witwe und Präsidentin bescherten Cristina Kirchner einen Sympathiezuwachs auf 55 Prozent.

Der Tod Néstor Kirchners ist nicht jedoch der alleinige Grund, warum die Präsidentin bei rund der Hälfte der 40 Millionen Argentinier gut abschneidet. Die wirtschaftliche Lage ist gegenwärtig stabil. Wachstumsraten von jährlich um die 8 Prozent ließen Beschäftigtenzahlen steigen, der private Konsum ist ungebrochen. Vor diesem Hintergrund sind 28 Millionen ArgentinierInnen aufgerufen nicht nur den nächsten Präsidenten zu wählen, sondern - wie alle zwei Jahre - auch ein Drittel der Senatoren und die Hälfte der Kongressabgeordneten.

Bei den letzten Teilwahlen 2009 büßte die Regierung in beiden Kammern ihre Mehrheit ein. Viele glaubten, damit sei das Ende der Kirchner-Regierung einläutet. "Der Großteil der Opposition verkörpert die Vergangenheit", sagt der linke Abgeordnete Claudio Lozano. Aber die Menschen wollen nicht in die neoliberalen Zeiten der 1990er zurück. Gegenwärtig finde eine Neuordnung der oppositionellen Kräfte statt, so Lozano, der für das Mitte-links-Bündnis Frente Amplio Progresista zur Wiederwahl antritt und dessen Präsidentschaftskandidat Hermes Binner abgeschlagen auf Platz zwei landen könnte.

Noch habe die Regierung leichtes Spiel. Denn bei der Aufzählung der Fehler der Vergangenheit ist sie sattelfest. "Geht es uns heute besser? Ja. Geht es und gut? Nein. Wenn es aber darum geht, was morgen geschehen soll, ist die Regierung schwach", so Lozano. Auf die Plünderung der natürliche Ressourcen und warum noch immer vier von zehn Kindern in Armut aufwachsen habe die Regierung keine Antwort.

Im Teatro Coliseo lobt die Präsidentin ihren zukünftigen Vize. Amado Boudou, der gegenwärtig noch Wirtschaftsminister ist, soll helfen die Brücke zwischen den Generationen zu schlagen. Der 48-Jahrige, der gern die Gitarre auspackt, die coole Lederjacke anzieht und mit seiner Harley Davidson ausfährt, erinnert mitunter an einen Berufsjugendlichen, kommt aber bei der jungen Anhängerschaft gut an. Am Ende bedankt sich Cristina Kirchner schließlich bei allen Mitwirkenden - als wären die Stimmen schon ausgezählt.

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