Nato geht, Den Haag kommt

LIBYEN I Nato beschließt Ende des Lufteinsatzes, nachdem UN-Sicherheitsrat das Mandat dazu aufhebt. Internationaler Strafgerichtshof verhandelt mit Gaddafi-Sohn in der Wüste

Seif al-Islam wird angeblich von Söldnern aus Südafrika begleitet

BRÜSSEL/TRIPOLIS/DEN HAAG dapd/afp/rtr | Sieben Monate nach den ersten Angriffen auf Gaddafis Streitkräfte beendet die Nato am Montag ihre Libyen-Mission. Den Beschluss fasste der Nato-Rat am Freitag. Nato-Generalsektretär Anders Fogh Rasmussen bezeichnete die Operation „Unified Protector“ als „eine der erfolgreichsten in der Geschichte der Nato“. Nach der Tötung Gaddafis sei „die militärische Arbeit nun erledigt“.

Die Vorentscheidung für das Ende des Einsatzes war bereits vor einer Woche gefallen. Nachdem der UN-Sicherheitsrat am Donnerstag beschloss, das Mandat zur Überwachung der Flugverbotszone über Libyen und zum Schutz von Zivilpersonen zum 31. Oktober aufzuheben, formalisierte die Nato am Freitag ihre Entscheidung. Den Wünschen des libyschen Übergangsrates, die Nato solle weiterhin eine wichtige Rolle spielen, will die Allianz nicht nachkommen. Er sehe „keine große Rolle“, hatte Rasmussen am Donnerstag in Berlin betont. Am Freitag erläuterte er in Brüssel, der Pakt stehe zur Hilfe bereit, aber nur, um der neuen Regierung bei der Reform der Sicherheitskräfte zu helfen.

Die einstimmig verabschiedete UN-Resolution 2016 hebt außerdem die Sanktionen gegen libysche Unternehmen auf und lockert das Waffenembargo gegen das Land. Sie ruft Libyens neue Machthaber zu Demokratie, guter Regierungsführung, Rechtstaatlichkeit, nationaler Versöhnung und Achtung der Bürger- und Menschenrechte auf.

Der UN-Sicherheitsrat wollte möglicherweise noch am Freitag über einen weiteren, von Russland eingebrachten Resolutionsentwurf abstimmen, der Libyens Übergangsregierung auffordert, die Waffen im Land zu erfassen, einzusammeln oder zu zerstören. Dazu gehören auch vermutete Chemiewaffenbestände. Die Machthaber in Tripolis meldeten unterdessen den Fund von einer Tonne Senfgas in einem Wüstengebiet südlich der Stadt Al-Jufra. Gaddafi hätte das giftige Gas aber nicht einsetzen können, da ihm dafür die technischen Möglichkeiten gefehlt hätten, sagte Armee-Oberst Saad al-Gamati.

Hilfe werden Libyen und die Nachbarländer womöglich bei der Verfolgung der noch flüchtigen Mitglieder des Gaddafi-Machtapparats brauchen. Gaddafis einstiger Geheimdienstchef Abdallah al-Senussi, der vom Internationalen Strafgerichtshof (ItGH) in Den Haag mit Haftbefehl gesucht wird, soll aus Niger nach Mali weitergereist sein, bestätigten Sicherheitskreise beider Länder am Donnerstag. Am Dienstag waren Senussi sowie der letzte noch flüchtige Gaddafi-Sohn Seif al-Islam an der libysch-nigrischen Grenze gesehen worden. Ob auch Seif al-Islam sich jetzt in Mali aufhält, ist unbekannt. Er hat angedeutet, sich dem IStGH stellen zu wollen. Nach Presseberichten aus Südafrika wird er von südafrikanischen Söldnern begleitet.

Das Büro des Chefanklägers in Den Haag bestätigte gestern „informelle“ Kontakte mit Seif al-Islam „über Vermittler“ über die Bedingungen einer möglichen freiwilligen Übergabe. Er bestätigte auch, dass „eine Gruppe Söldner“ angeboten habe, den Gaddafi-Sohn in ein afrikanisches Land zu bringen, das nicht dem Rom-Statut des IStGH beigetreten ist und ihn daher nicht ausliefern müsste. In der Region kommen dafür Algerien und Sudan in Frage. Südafrikaner sollen in den vergangenen Wochen bereits bei der Flucht von Teilen der Gaddafi-Familie nach Algerien geholfen und auch Gold aus Libyen nach Niger gebracht haben.