Colonia Dignidad: Licht nach 27 Jahren Verdunklung

Neue Erkenntnisse im Fall des 1985 verschwundenen US-Amerikaners Boris Weisfeiler. Zeugen wollen ihn in der Nähe eines Folterlagers gesehen haben.

Wenig Licht und viel Schatten: ein Blick auf die Colonia Dignidad. Bild: reuters

BUENOS AIRES taz | 27 Jahre nach dem spurlosen Verschwinden des US-Amerikaners Boris Weisfeiler in Chile ist die Aufklärung möglicherweise einen Schritt näher gerückt. Der Mathematiker russischer Abstammung ist seit Anfang Januar 1985 verschwunden.

Die Spur des damals 43-Jährigen verlor sich in der Nähe der deutschen Siedlung Colonia Dignidad im Süden Chiles. Dort war Weisfeiler als Tourist unterwegs. In der deutschen Sektenkolonie, die dem chilenischen Geheimdienst Dina während der Diktatur als Folterlager diente, wurde er mutmaßlich zum letzten Mal lebend gesehen.

Am Mittwoch ordnete der chilenische Richter Jorge Zepeda die Verhaftung von acht ehemaligen Polizisten und Militärs an. Zepeda, bekannt als hartnäckiger Ermittler für Menschenrechtsverbrechen während der Pinochet-Diktatur von 1973 bis 1990, hat gegen die acht ein Verfahren wegen Entführung und Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Für den Richter ist Weisfeilers Verschwinden ein „gewaltsames Verschwindenlassen“ und somit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das nicht verjährt.

Die Polizisten hatten damals angegeben, Weisfeiler wegen seiner Militärkleidung für einen illegal eingereisten Extremisten gehalten zu haben, der sich in Chile verstecken wolle. Deshalb hätten sie ihn gefangen, festgenommen und dies zunächst verheimlicht. Später gaben die Militärs an, Weisfeiler sei bei der Durchquerung eines Flusses ertrunken, an dessen Ufer sie Spuren von ihm gefunden hatten.

Der Fall war bereits mehrfach als abgeschlossen zu den Akten gelegt worden – bis er bei Zepeda landete. Für den Richter stellt sich die damalige Situation ganz anders dar. „Die betreffenden Polizisten und Militärs haben Boris Weisfeiler nicht nur ohne rechtlichen Grund seiner Freiheit beraubt, sondern bis heute an ihrer verheimlichenden Haltung festgehalten,“ schreibt Zepeda in seinem richterlichen Beschluss.

Wichtiger Schritt zur Aufklärung

Beharrlich war Weisfeilers Schwester Olga Weisfeiler immer wieder nach Chile gereist, um Aufklärung über das Schicksal ihres Bruders einzufordern. Die heute 68-Jährige zeigte sich glücklich über die richterliche Entscheidung. Es sei tatsächlich der erste wirkliche Schritt zur Aufklärung des Schicksals ihres Bruders. „Das jetzt eingeleitete Verfahren gibt mir die Hoffnung, Boris zu finden und zu erfahren, was mit ihm passiert ist“, so Olga Weisfeiler.

Unter anderem beruft sich Zepeda darauf, dass sich Jahre nach dem Verschwinden ein anonymer Zeuge in Begleitung von Angehörigen der US-Botschaft an eine Organisation der katholischen Kirche wandte, die sich für Verfolgte des Pinochet-Regimes eingesetzt hatte. Der habe er sich als Mitglied der Militärpatrouille zu erkennen gegeben, die als Wachschutz für die Colonia Dignidad im Einsatz war.

Er bestätigte laut Zepeda, „dass Boris Weisfeiler an einem Nebenfluss in der Gegend von San Fabián de Alico gefangen und verhaftet worden war. Weiter gab er an, dass Boris Weisfeiler lebend von den Militärs in die Colonia Dignidad gebracht worden war.“ Ein zweiter unbekannter Zeuge habe ebenfalls angegeben. den Entführten in der Kolonie gesehen zu haben.

Die US-Botschaft, so Zepeda weiter, habe das chilenische Außenministerium informiert, dass sich ein mutmaßlicher früherer Militär als Zeuge der Verhaftung von Weisfeiler in der Nähe der Colonia Dignidad anonym gemeldet habe und „dass Mitglieder der Kolonie Weisfeiler exekutiert haben könnten“.

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