Katalanen strafen Regierung ab

SPANIEN Die nationalistische Regierungspartei von Artur Mas verliert in Katalonien 12 Sitze. Linke Separatisten gewinnen dazu

Wir müssen alle eine Periode des Nachdenkens einleiten“

ARTUR MAS

AUS MADRID REINER WANDLER

Es hatte etwas von unfreiwilligem Humor. Wer am Wahlabend auf der Seite der katalanischen Tageszeitung El Periódico die Videos über den Autonomiepräsidenten Artur Mas anklickte, wurde mit einer Handywerbung bedacht. „Was für ein perfekter Tag“, sang eine Frauenstimme auf Englisch, bevor ein völlig geschlagener Mas auf dem Bildschirm erschien. „Wir haben die Mehrheit, die wir wollten, nicht erhalten“, gestand er unumwunden seine Niederlage ein. Seine nationalistisch-konservative Convergència i Unió (CiU) verlor 12 der bisher 62 Sitze. Damit ist Mas zwar immer noch Wahlsieger, doch ist er weiter denn je von der absoluten Mehrheit von 68 Sitzen entfernt. Der Nationalist hatte die Wahlen um zwei Jahre vorgezogen. Mit einer Kampagne für die Unabhängigkeit Kataloniens wollte er seine Macht stärken. Entgegen allen Wahlumfragen ging dies gründlich schief. Seine CiU erzielte das schlechteste Ergebnis seit 1994.

Zu den strahlenden Siegern gehören andere separatistische Formationen, die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und die Volkseinheit (CUP). Die ERC konnte die Zahl der Angeordneten von 10 auf 21 mehr als verdoppeln, und die CUP zieht mit 3 Abgeordneten erstmals ins Autonomieparlament ein. Das Bündnis aus Postkommunisten und Grünen (ICV) konnte ebenfalls Zugewinne verbuchen und ist künftig mit 13 (+ 3) Abgeordneten vertreten. Neben der CiU gehören die Sozialisten zu den Verlierern. Die Zahl der Abgeordneten der PSC – Teil der spanischen PSOE – sank von 28 auf 20.

Die in Madrid regierende Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy gewann leicht von 18 auf 19 Vertreter. Die kleine Formation Ciutadans (Bürger), die am entschiedensten für ein spanisches Katalonien eintritt, verdreifachte die Zahl ihrer Abgeordneten auf jetzt 9.

„Die CiU hat allein nicht die Kraft, den Prozess und die Regierung zu führen. Andere müssen auch Verantwortung tragen […], sonst wäre das Land unregierbar“, gestand der CiU-Chef Mas in der Wahlnacht ein. Er stehe weiterhin zu seinem Wahlversprechen, Katalonien in die Unabhängigkeit zu führen, „doch das ist jetzt schwieriger“. Bevor er zu einem – rechtlich nicht vorgesehenen – Unabhängigkeitsreferendum mobilisiert, steht Mas vor dringenderen Problemen. In seiner eigenen Partei wurden bereits vor den Wahlen Stimmen gegen den separatistischen Kurs laut. Diese haben eindeutig an Kraft gewonnen.

Außerdem wird das alltägliche Regieren noch schwieriger. Katalonien, die wichtigste Industrieregion Spaniens, ist bankrott. Zwei Monate vor dem Urnengang musste Mas in Madrid um 5 Milliarden Euro Finanzhilfe anfragen. Sein Wunsch nach einem neuen Steuersystem für Katalonien wurde von Regierungschef Rajoy abschlägig beschieden. Nach der Kampagne zur Loslösung Kataloniens sind die Beziehungen mit Madrid schwer geschädigt. „Wir müssen angesichts der neuen Etappe alle eine Periode des Nachdenkens einleiten“, sagte Mas, bevor er die katalanische Hymne anstimmte.

Meinung + Diskussion SEITE 12