Armee gegen Islamisten in Nigeria: Der Horror von Baga

Brutale Eskalation des Krieges zwischen nigerianischer Armee und Boko Haram: In einem Ort am Tschadsee sterben laut Behörden mindestens 185 Menschen.

In den Ruinen von Baga: Aufgenommen per Handy, Sonntag 21. April Bild: ap

BERLIN taz | Bei der Jagd auf Islamisten hat Nigerias Armee möglicherweise ein Massaker an Zivilisten angerichtet. Mindestens 185 Menschen sollen im Ort Baga getötet worden sein, als Soldaten zivile Wohnviertel stundenlang unter Maschinengewehrfeuer nahmen, berichten Nachrichtenagenturen. Die Truppe habe auf Raketenbeschuss durch Kämpfer der islamistischen Untergrundbewegung Boko Haram reagiert.

Stadtverwalter Lawan Kole sagte Medienberichten zufolge am Sonntag vor Provinzgouverneur Kashim Shettima, bis zum Nachmittag seien 185 Leichen geborgen worden, die meisten davon verbrannt. Bei dem Treffen habe der kommandierende Brigadegeneral Austin Edokpaye gesagt, Islamisten hätten Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht – die Standardausrede nigerianischer Militärs, wenn sie Zivilisten umbringen.

Boko Haram („Westliche Bildung ist Sünde“) kämpft seit Jahren gegen Nigerias Regierung und ist vor allem in Nigerias nordöstlichstem Bundesstaat Borno stark. Sie hat viele Terroranschläge und Massaker verübt. Die Sondertruppe des Militärs zur Jagd auf Boko Haram geht ihrerseits nicht zimperlich mit mutmaßlichen Islamisten um.

Der genaue Hergang des Massakers bleibt unklar. In den Berichten vom Montag werden die Kämpfe auf vergangenen Freitagabend datiert. Rund 2.000 Häuser sowie der Markt sollen niedergebrannt worden sein. Laut einem Bericht der nigerianischen Tageszeitung Guardian vom Samstag geschah all dies bereits in der Nacht zum Mittwoch.

Der Tschadsee als Kriegsfront

Baga liegt im äußersten Nordosten Nigerias am Tschadsee, dessen Ufer sich Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger teilen. Dass sich Boko Haram in diese Region zurückzieht, ist bereits seit Monaten Thema. Im Februar hatten mutmaßliche Islamisten etwas weiter südlich in Kamerun eine siebenköpfige französische Touristenfamilie verschleppt. Sie kam am vergangenen Freitag in Nigeria frei. Auf der Suche nach ihr hatte das Militär auch den Tschadsee nach verdächtigen Booten abgesucht.

Vor Kurzem erklärte die Provinzregierung von Borno, 10 der 27 Distrikte des Bundesstaates würden inzwischen faktisch von Boko Haram regiert – vor allem in den Grenzregionen. Boko Haram habe dort die Staatsbeamten verjagt, die Kontrolle über lokale Märkte übernommen und beispielsweise den Verkauf von Zigaretten verboten. Sie hätten außerdem 30.000 Bauern aus einem staatlichen Weizenprojekt kurz vor der Ernte vertrieben.

Boko Haram bietet Berichten zufolge auch fliehenden islamistischen Kämpfern aus Mali, wo Frankreich seit Januar militärisch gegen Islamisten vorgeht, Aufnahme. Das könnte einer der Gründe sein, warum Tschad sein militärisches Eingreifen in Mali beendet.

Mali-Intervention wirft ihre Schatten

Das tschadische Parlament stimmte Anfang letzter Woche fast einstimmig für den Rückzug der über 2.000 tschadischen Soldaten aus Mali. Sie hatten dort zusammen mit den Franzosen an vorderster Front gegen „Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) in der Region Kidal gestanden.

Wenn sich jetzt die mit AQMI verbündete Boko Haram in Nigeria nahe der tschadischen Grenze festsetzen würde, müsste Tschads Armee den Krieg gegen Islamisten bald auf eigenem Territorium führen.

Schon im Februar hatte die französische Wochenzeitschrift Jeune Afrique berichtet, Boko Haram habe 500 Kämpfer in Tschads Hauptstadt N’Djamena eingeschleust. Tschads Regierung dementierte, bestätigte aber Dutzende Festnahmen und erhöhte die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt.

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