Eine Orientalistin wird neue Superministerin in Warschau

POLEN Premier Tusk baut die Regierung radikal um. Er will dem Kabinett „neue Energien“ verpassen

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Die Überraschung des Tages: Das neue Superministerium der polnischen Regierung wird von Elzbieta Bienkowska geleitet. Die 49-jährige Orientalistin galt zwar schon bisher als überaus kompetente Ministerin für Regionalentwicklung, war aber einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt. Wenige nur wussten auch, dass ihr Ministerium den Großteil der EU-Zuschüsse erhielt. Sie steigt nun zum Vize-Premier auf und übernimmt mit dem Transportministerium ein weiteres Ressort, das in den nächsten Jahren Milliarden-Zuschüsse aus Brüssel erhalten wird. „Neue Energie“ wünschte sich Polens Regierungschef Donald Tusk, als er beim großen Stühlerücken am Mittwoch sechs neue Minister vorstellte.

Die zweite positive Überraschung löste die Ernennung des 37-jährigen Wirtschaftsexperten Mateusz Szczurek zum neuen Finanzminister aus. Bei seiner ersten Kurzvorstellung als neuer Finanzminister Polens sagte er: „Meine Aufgabe wird darin bestehen, den Staatshaushalt zu konsolidieren, ohne das Wirtschaftswachstum Polens abzubremsen.“

Tatsächlich hatten in den vergangenen Monaten mehrere Minister in der Tusk-Regierung durchblicken lassen, dass sie sich ausgebrannt fühlten und keine rechte Antwort auf die öffentliche Dauerkritik wussten. Zu ihnen gehörten Jacek Rostowski, der bisherige Finanzminister, und die Ministerinnen für Sport und Tourismus, Wissenschaft und Hochschulen.

Über einen Wechsel im Umweltministerium war schon länger spekuliert worden. Doch Minister Marcin Korolec zu entlassen, während in Warschau die UNO-Klimakonferenz CO19 tagt, wäre dann doch zu peinlich gewesen. So bleibt Korolec nun der polnischen Regierung als Klima-Beauftragter erhalten, während der Ökonom Maciej H. Grabowski, der bislang zur Berater-Gruppe der Regierung gehörte, das Umweltministerium übernehmen wird. „Polens energiepolitische Zukunft liegt im Schiefergas“, erklärte er in seiner Kurzvorstellung.

Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der Oppositionspartei PiS, ließ in einem ersten Kommentar kein gutes Haar an der Kabinettsumbildung. Polen sei zurzeit Zeuge der „größten Korruptionsaffäre in der Regierung seit 1989“. Die Neubesetzung von Ministerposten sei eine PR-Aktion, um den Korruptionsskandal zu verdecken.