UCK auf der Anklagebank

KOSOVO Ein Sondertribunal soll klären, ob und welche Kriegsverbrechen Mitglieder der kosovoalbanischen Befreiungsarmee zwischen 1999 und 2000 begangen haben

Das Sondertribunal soll nicht nur in Prishtina, sondern auch in Den Haag verhandeln

AUS PRISHTINA ERICH RATHFELDER

Einige Leute in der kosovoalbanischen Hauptstadt Prishtina laufen dieser Tage mit betretenen Gesichtern herum. Nach längerem Zögern musste die Führungsriege der früheren Kosova-Befreiungsorganisation UCK dem Druck der USA und der EU nachgeben. Am Mittwoch sollte die Entscheidung im Parlament über die Einrichtung eines Sondergerichtes für die Kriegsverbrechen von Kosovoalbanern während des Krieges (1998/99) und danach getroffen werden.

Außenminister Enver Hoxhaj wäre von den Verhandlungen dort nicht betroffen, denn der Sozialwissenschaftler schrieb damals seine Doktorarbeit in Wien und engagierte sich für Menschenrechte. Doch heute ist er auch Vizepräsident der Regierungspartei, der Demokratischen Partei Kosovas PDK, die am vergangenen Freitag nach harten internen Auseinandersetzungen schließlich dem internationalen Druck nachgab.

Für Hoxhaj hat die Diskussion über den angeblichen Handel mit Organen der Außenpolitik des Landes schwer geschadet. „Ich habe seit Monaten nichts anderes zu tun, als mit ausländischen Diplomaten über dieses Thema zu sprechen.“ Es müsse endlich Klarheit geschaffen werden. Deshalb werde er der Einrichtung eines Sondergerichtes im Parlament zustimmen.

Nach serbischer Darstellung soll die UCK 1999 und 2000 in Nordalbanien Serben, Roma und auch politisch missliebige Albaner getötet und mit deren Organen Handel getrieben haben. Schon kurz nach dem Krieg ging eine Gruppe von amerikanischen FBI-Agenten diesen Vorwürfen nach, konnte dafür jedoch wie die darauf folgenden Kommissionen der UNO und des Den Haager Kriegsverbrechertribunals keine Beweise finden.

Die Anschuldigungen kamen erst 2010 wieder an die Öffentlichkeit, nachdem der US-amerikanische Kriegsreporter Chuck Sudetic als Verfasser der Memoiren der Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Klara Del Ponte, mit deren Billigung diese These wieder aufgegriffen hatte. In einem Bericht des Schweizer Staatsanwalts Dick Marty für den Europarat vom Dezember 2010 wurde diese These erneuert, aber mit Hinweis auf den mangelnden Schutz für Zeugen nicht weiter erhärtet. Im Herbst 2011 beauftragte daraufhin Brüssel den US-Ankläger Clint Williamson, erneut zu ermitteln.

Das jetzt anvisierte Sondertribunal soll, um den Zeugenschutz zu gewährleisten, nicht nur in Prishtina, sondern auch in Den Haag verhandeln. Williamson ermittelte mehr als zwei Jahre. US-Presseberichten ist jedoch zu entnehmen, dass er im Falle des Organhandels nicht fündig wurde, wohl aber zu anderen Menschenrechtsverletzungen, die von UCK-Mitgliedern begangen wurden. So Folterungen in den UCK-Gefängnissen in Nordalbanien sowie Morden an politischen Gegnern, wie jene an Mitgliedern der Konkurrenzorganisation Fark. Dieses war eine militärische Formation unter dem Einfluss des Exministerpräsidenten Bujar Bukoshi.

Im Zentrum der Ermittlungen stehen nach kosovarischen Presseberichten die Spitzenpolitiker Xhavit Haliti, Kadri Veseli und Azem Syla. Noch ist unklar, ob Ministerpräsident Hashim Thaci selbst angeklagt wird. Xhavit Haliti und Kadri Veseli waren damals führende Mitglieder des Geheimdienstes der UCK.

Umfragen zufolge ist die Hälfte der kosovoalbanischen Bevölkerung entsetzt über das Sondergericht. Sie sind überzeugt, dass die UCK lediglich der serbischen Repression widerstanden und einen Freiheitskrieg geführt habe. Ein Großteil der mehr als 13.000 Opfer seien Albaner gewesen, erst vor wenigen Tagen sei in Serbien ein neues Massengrab mit albanischen Opfern gefunden worden. Die These von dem Organhandel helfe nur den serbischen Kriegsverbrechern, von ihren Untaten abzulenken.

Die andere Hälfte der Bevölkerung glaubt ebenfalls nicht an den Organhandel. Doch sie will die Verbrechen aufgeklärt wissen und wendet sich auch gegen jene Leute aus der UCK, die sich nach dem Krieg schamlos bereichert haben.