Hardliner-Rhetorik Richtung Moskau

NATO Generalsekretär Rasmussen fordert neue Nato-Basen in Polen und dem Baltikum. Und er will die schnelle Eingreiftruppe stärken. Eine Mehrheit der Nato-Mitgliedsländer ist allerdings dagegen

„Sie werden in der Zukunft mehr Nato-Präsenz im Osten sehen“

ANDERS FOGH RASMUSSEN

VON ANDREAS ZUMACH

GENF taz | Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat sich kurz vor dem Gipfeltreffen der Militärallianz in der kommenden Woche und seinem eigenen Abtritt Ende September noch einmal als schneidiger kalter Verbalkrieger profiliert. „Jeder potenzielle Aggressor muss wissen: Wenn er auch nur daran denkt, einen Nato-Verbündeten anzugreifen, wird er es nicht nur mit Soldaten aus dem betreffenden Land zu tun bekommen, sondern mit Nato-Truppen“, erklärte Rasmussen in einem am Mittwoch veröffentlichten Sammelinterview mit der Süddeutschen Zeitung und anderen europäischen Blättern.

Angesichts der Destabilisierung der Ukraine durch Russland wollte der Generalsekretär die osteuropäischen Allianzmitglieder beruhigen, auf deren Territorium bislang nicht ständig größere Nato-Truppenverbände aus anderen Ländern stationiert sind. Insbesondere in Polen und in den drei baltischen Staaten wird dieses „Defizit“ als „Mitgliedschaft zweiter Klasse“ beklagt. Ohne ständige Nato-Truppen könne man sich im Fall eines russischen Angriffs nicht auf eine Verteidigung durch die Allianz verlassen. Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hatte kürzlich gefordert, der kommende Nato-Gipfel solle „die dauerhafte Stationierung mehrerer Nato-Brigaden“ in seinem Land beschließen. „Je mehr Polen in den Nato-Strukturen verankert ist, umso sicherer ist es im Konflikt in der Ukraine“, bekräftigte Regierungschef Donald Tusk diese Forderung am Mittwoch in Warschau.

„Es gibt keine Mitgliedschaft erster und zweiter Klasse. Alle Mitgliedstaaten sind gleich“, hält Rasmussen dieser Sorge entgegen. Die Nato werde „ alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die effektive Verteidigung und den Schutz jedes Mitglieds zu gewährleisten“. Alle Zweifel daran würden auf dem Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag nächster Woche beseitigt werden.

Doch die nicht nur von Polen und den baltischen Staaten, sondern inzwischen auch von Rasmussen selber sowie vom Nato-Oberkommandierenden, US-General Philip M. Breedlove, mehrfach geforderte ständige Truppenstationierung wird es nicht geben. Sie würde gegen die Vereinbarungen verstoßen, die die Nato 1997 in der Grundakte mit Russland getroffen und 2002 in ihrer Gipfelerklärung von Rom noch einmal bekräftigt hat.

Geplant ist allerdings, die Möglichkeit zum Einsatz der schnellen Eingreiftruppe der Nato in osteuropäischen Mitgliedsstaaten zu verbessern. „Es ist unsere Absicht, eine Speerspitze mit einer sehr hohen Einsatzbereitschaft innerhalb dieser Eingreiftruppe zu schaffen. Wenn ein Nato-Verbündeter bedroht werden sollte, können wir diese Speerspitze umgehend einsetzen, um ihn zu schützen“, beschrieb Rasmussen das Vorhaben.

Dafür müsse eine Infrastruktur geschaffen sowie Hauptquartiere und Ausrüstung müssten bereitgehalten werden. „Sie werden in der Zukunft mehr Nato-Präsenz im Osten sehen“, kündigte Rasmussen an. Das schließe auch die Anwesenheit von Soldaten ein, wobei es „eine Rotation in hoher Frequenz“ geben könne. Geplant sind auch vermehrte Aufklärungsflüge der Nato-Luftstreitkräfte an den östlichen Bündnisgrenzen.

Zumindest zunächst gescheitert sind Polen und die baltischen Staaten auch mit ihrer von den USA unterstützten Forderung, das nach bisheriger Darstellung der Nato ausschließlich gegen potenzielle Angriffe aus dem Nahen Osten geplante „Raketenabwehrsystem“ ausdrücklich auch gegen Russland auszurichten. Eine Mehrheit der 28 Nato-Staaten, insbesondere Deutschland, ist gegen einen entsprechenden Beschluss beim Gipfeltreffen in Wales. Allerdings soll die Debatte nach dem Gipfel fortgesetzt werden.