Uruguays Linke im Aufwind

URUGUAY Tabaré Vázquez vom Mitte-links-Bündnis Frente Amplio geht als Favorit in die Stichwahl vom 30. November. Ob es auch für eine parlamentarische Mehrheit der Frente reicht, blieb zunächst offen

AUS MONTEVIDEO JÜRGEN VOGT

Uruguays Linke ist wieder im Aufwind. Bei den Präsidentschaftswahlen kam am Sonntag der Kandidat des linken Regierungsbündnisses „Frente Amplio – Breite Front“ und frühere Präsident Tabaré Vázquez überraschend deutlich auf Platz eins. Nach den letzten Hochrechnungen zieht der 74-Jährige mit rund 48 Prozent der Stimmen in die Stichwahl ein. Das seit 2005 regierende Bündnis hat damit gute Chancen, auch weiterhin den Präsidenten zu stellen.

Bei der Stichwahl am 30. November trifft Vázquez auf den Kandidaten der rechtsliberalen Nationalpartei, Luis Lacalle Pou, der mit rund 31 Prozent der Stimmen auf Platz zwei kam. Abgeschlagen auf dem dritten Platz landete der Kandidat der rechten Colorado-Partei, Pedro Bordaberry, mit rund 13 Prozent, der umgehend erklärte, Lacalle in der Stichwahl unterstützen zu wollen. Doch eine einfache Summierung der Stimmen wird es Ende November nicht geben. Ein guter Teil der Colorado-Stammwähler kann die Nationalen nicht riechen. Umgekehrt gilt dasselbe.

„Y ya lo ve, el Presidente Tabaré – man sieht schon den Präsidenten Tabaré,“ skandierten Vázquez’ überglückliche und wohl auch erleichterte Anhänger am Sonntagabend. Sie hatten bereits seit Stunden auf der Avenida 18 de Julio in der Hauptstadt Montevideo singend und tanzend gefeiert und waren bei jeder neuen Hochrechnung in frenetischen Jubel ausgebrochen.

Geknickt war dagegen die Stimmung beim Zweitplatzierten, Luis Lacalle Pou. Der 41-Jährige hatte sich einiges mehr als die mageren 31 Prozent versprochen. Er wollte mit so wenig Abstand zu Vázquez wie möglich in die Stichwahl. Das hat nicht geklappt; Lacalle konnte keine Wechselstimmung erzeugen.

Dagegen hatte es während des Wahlkampfs lange nicht nach einem solch eindeutigen Ergebnis ausgesehen. Vázquez ist bei einem beträchtlichen Teil der Frente-Anhänger nicht gerade beliebt. Sein autokratischer Führungsstil und seine eher konservative Haltung stoßen viele Linke im Bündnis ab. Doch Charisma kann dem älteren Herrn niemand absprechen, und dass er Wahlen gewinnen kann, hat er mehrfach bewiesen.

Die rund 2,6 Millionen Wahlberechtigten waren am Sonntag auch aufgerufen, einen neuen Kongress zu wählen. Zu vergeben waren 30 Senatorensitze und 99 Abgeordnetenhausmandate. Endgültige Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Nach den bisherigen Angaben könnte das Regierungsbündnis Frente Amplio seine Mehrheit lediglich im Abgeordnetenhaus äußerst knapp verteidigt haben. Im Senat stellt die Frente künftig die Hälfte der Senatoren.

Möglicherweise ist Vázquez auf die Unterstützung kleinerer Parteien wie der sozialdemokratischen Partido Independiente angewiesen, die ein oder zwei Sitzen gewonnen haben. Schmecken wird dem verhandlungsunfähigen Vázquez dies gar nicht. Eher schon, dass er mit dem Verweis auf eine mögliche Unterstützung durch die Rechte die radikaleren Linken im eigenen Bündnis zu disziplinieren versuchen kann.

Dass die Rechte mit einem ihrer zentralen Wahlkampfthemen letztlich nicht punkten konnte, beweist der Ausgang des Referendums über die Senkung des Strafmündigkeitsalters bei schweren Verbrechen von 18 auf 16 Jahre. Vorgeschlagen war auch, dass Vorstrafen nicht mehr wie bisher nach einigen Jahren aus dem Register gelöscht werden sollten. Nach den bisherigen Hochrechnungen sprachen sich gut 53 Prozent der WählerInnen gegen das Gesetz aus.

Gegen das 2011 von der Colorado-Partei initiierte Referendum hatte eine breite gesellschaftliche Allianz mobilisiert.