Ein längst überfälliger Schritt

UKRAINE Die Freiwilligenverbände, darunter Einheiten der ukrainischen Nationalisten und des Rechten Sektors, werden der Armee unterstellt. Ganz freiwillig geschieht das nicht

Nun sei die Ära der Freiwilligeneinheiten beendet, sagt OUN-Kämpfer Salatenko

AUS KIEW BERNHARD CLASEN

Seit dem Wochenende sind alle ukrainischen paramilitärischen Freiwilligeneinheiten in die militärische Befehlsstruktur des Landes eingebunden. Sämtliche im Anti-Terror-Kampf eingesetzten Einheiten, so der ukrainische Verteidigungsminister Generaloberst Stepan Poltorak, stehen nun unter dem Befehl der ukrainischen Streitkräfte oder der Nationalgarde. Gleichzeitig begannen am Wochenende Einheiten der rechtsradikalen „OUN“, der Organisation Ukrainischer Nationalisten, mit dem Abzug aus dem umkämpften Ort Peski am Donezker Flughafen. Zuvor hatte OUN-Kommandeur Nikolaj Kochaniwskij am 4. April schriftlich die Eingliederung seiner Einheiten in die 93. Brigade der ukrainischen Armee zugesagt. Ganz freiwillig muss der Abzug indes nicht gewesen sein. Die OUN-Brigade sei von der 93. Brigade eingekreist und zum Niederlegen der Waffen aufgefordert worden, hatte OUN-Stabschef Bogdan Tizkij am Freitag auf seiner Facebook-Seite berichtet. Ukrainische Militärs widersprachen. Man habe lediglich die zuvor getroffene Vereinbarung umgesetzt, zitiert die Ukrainska Prawda einen hohen ukrainischen Militär.

Auch der Rechte Sektor, der ein für den 1. April terminiertes Ultimatum, sich den militärischen Strukturen der ukrainischen Armee unterzuordnen, zunächst ignoriert hatte, beugte sich dem Druck und unterstellte sich dem Kommando der 79. Luftlandebrigade der ukrainischen Streitkräfte. Wenig später verließen die Einheiten des Rechten Sektors das Kampfgebiet in der Ostukraine. Bereits Anfang des Monats bahnte sich mit der Ernennung von Dmitrij Jarosch, dem Chef des Rechten Sektors, zum Berater des Oberbefehlshabers der ukrainischen Streitkräfte, eine Einigung mit der Regierung an.

„Dieser Schritt war längst überfällig“, kommentierte der Kiewer Politologe Alex Rogalyov gegenüber der taz die Einbindung der Freiwilligen in die militärischen Strukturen. „Der Staat muss sein Gewaltmonopol durchsetzen, darf es nicht zulassen, dass bestimmte Bewegungen oder Oligarchen eigene bewaffnete Einheiten haben. Andernfalls wäre der Traum von einem Staat nach europäischem Vorbild zu Ende gewesen.“ Schließlich, so Rogalyov, könnte ja nicht einfach jedes Bataillon nach eigenem Gutdünken Krieg führen und von Fall zu Fall neu entscheiden ob und wie man sich mit anderen militärischen Strukturen koordinieren wolle, so Rogalyov.

Heftig kritisiert OUN-Kämpfer Semen Salatenko die Unterordnung der Freiwilligen unter die militärischen Strukturen. Damit hätten Poroschenko und Jazenjuk einen wichtigen Hoffnungsträger in ihr System integriert. Nun sei die Ära der Freiwilligeneinheiten beendet, kommentiert er resigniert auf der Facebook-Seite des OUN-Bataillons. Auch wenn Einfluss und Präsenz der Freiwilligenverbände an der Front im Osten des Landes abgenommen haben, hat insbesondere der Rechte Sektor in der ukrainischen Gesellschaft weiter an Gewicht gewonnen. Gemeinsam mit der Miliz heben Einheiten des Rechten Sektors in jüngster Zeit in der Westukraine illegale Spielhöllen aus. Ungestört macht der Rechte Sektor Jagd auf Andersdenkende. So überfielen seine Mitglieder in der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk einen städtischen Bediensteten, bespritzten ihn mit grüner Farbe und warfen ihn in einen Müllcontainer.