In Pelz und Lederjacke gegen Rechtsradikale

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes laden zum 13. Jugendtreffen. Die Kommunikationslücke zwischen Alt und Jung ist offensichtlich. Die einen gemahnen an die Geschichte, die anderen bekämpfen den Überwachungsstaat

Der große Saal des Statthauses im Böcklerpark ist gut gefüllt. Punks mit Lederjacken und Springerstiefeln und junge Frauen im schlabberigen Ökolook lauschen den Rednern. Rote Fahnen und Banner schmücken das 13. Jugendtreffen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und des Bunds der Antifaschisten (VVN-BdA) am Samstag in Kreuzberg. Mittendrin sitzt eine alte Dame im Pelz. Niemand beschwert sich darüber.

Das Jugendtreffen der bundesweiten Antifaorganisationen ist keineswegs den unter 30-Jährigen vorbehalten. Hier treffen sich Jung und Alt zu Diskussion und Erfahrungsaustausch. Auch die Dame im Pelz ist deswegen gekommen. Ihren Namen will sie nicht nennen. Aber sie erzählt, dass sie ein Opfer des Naziregimes gewesen sei. Schon seit Jahren ist sie Mitglied des VVN. „Ich möchte verhindern, dass sich jemals wieder solch eine Katastrophe abspielt, und das muss ich auch an die Jugend weitergeben.“

Genauso sieht es auch Beate Behrenz, Rentnerin und Vorstandsmitglied des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern der VVN-BdA. „Wir müssen uns gemeinsam mit der Jugend gegen Neonazis und gegen die NPD wehren.“ Zuvor hatte Heinrich Fink, einst Rektor der Humboldt-Universität und heute Vorsitzender des VVN-BdA, stolz die Zahl der Unterstützer für ein NPD-Verbot verkündet. 175.000 Unterschriften seien mittlerweile gesammelt worden.

Die jungen Antifaschisten machen nur etwa die Hälfte der Teilnehmenden aus. Und sie haben andere Themen auf ihrer Agenda. „Keine Lust auf Überwachung“, lautet das Motto der Veranstaltung. Sie wollen gegen die von der Bundesregierung beschlossene Vorratsdatenspeicherung und Überwachung der Telekommunikation protestieren. Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, den man trotz seiner 66 Jahre fast noch zu den jüngeren Antifaschisten im Statthaus zählen kann, betont in seiner Eröffnungsrede eine „unerträgliche Übermacht und Einmischung“ des Staates. Er weist darauf hin, dass bei Demonstrationen zum eigenen Schutz keine Handys mehr benutzt werden sollen. Auch der Student Daniel Neuhaus sorgt sich um seine Freiheit: „Nun werde ich vielleicht abgehört und bei Demonstrationen beobachtet. Und irgendwann steht ohne Grund die Polizei vor meiner Tür, wie es bei den Durchsuchungen im Vorfeld zum G-8-Gipfel geschehen ist.“

Marina Lück, eine junge Mutter, die ihr Baby gerade mit selbst gemachtem Ökobrei füttert, sorgt sich mehr um die globalen Menschenrechte. Sie begrüßt die Rede von Sarah Wagenknecht, der Parteilinken in der Linkspartei, die das westliche Verständnis von Menschenrechten relativiert und beispielsweise Lob für die Gesundheitsversorgung in Venezuela findet.

Der angestrebte Austausch zwischen den Generationen fällt schwer. Meist sieht man die Älteren und Jüngeren getrennt voneinander diskutieren. Auch die verschiedenen Informationsstände im Statthaus Böcklerpark weisen auf unterschiedliche Interessen hin. Hier werben ein paar ältere Herren für die Kommunistische Arbeiterzeitung. Dort verteilen zwei Mittvierziger Flugblätter der Irren-Offensive e. V. Auch der linke Motorrad-Club „Kuhle Wampe“ zeigt Präsenz. Doch die jugendlichen Besucher zieht es eher zu den Ständen der Gewerkschaften IG Metall und Ver.di. Eins eint alle Anwesenden: der Kampf gegen rechtradikales Gedankengut.

Nur ein paar jugendlichen Migranten ist auch das egal. Sie stört besonders, dass wegen des Antifatreffens ihre übliche Billardpartie im Statthaus ausfallen muss. MARY HERRMANN