Gesundheit: Saufen bis zur Bewusstlosigkeit

Die Zahl der Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus landen, hat sich in drei Jahren fast verdoppelt. Grüne: Die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes wird zu wenig kontrolliert.

Alcopops haben viele Jugendliche auf den Geschmack gebracht. Bild: AP

Immer mehr Jugendliche in Berlin saufen bis zum Umfallen. Das geht aus der Antwort der Innenverwaltung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann hervor. Demnach wurden 2003 noch 165 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 19 Jahren wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. 2006 waren es bereits 296 - eine Zunahme von 80 Prozent. Vor allem 15- bis 19-jährige Jungen trinken exzessiv: 141 landeten 2006 mit Vergiftung im Krankenhaus, zwei Jahre zuvor waren es noch 79.

Die Zahlen bestätigen einen Trend, der schon im kürzlich vorgestellten Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung zu erkennen war: Wenn die jungen Leute trinken, dann oft sehr exzessiv. "Rauschtrinken von Jugendlichen ist in dieser Massivität ein neues Phänomen", sagte am Donnerstag Matthias Apel, der in der Gesundheitsverwaltung für das Thema Alkohol zuständig ist, der taz. Allerdings sei es kein Problem der Hauptstadt allein. "Rauschtrinken hat sich von Großbritannien aus in ganz Europa verbreitet", sagte Apel. In Berlin gebe es im Durchschnitt sogar weniger Jugendliche, die mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus kommen, als in den meisten anderen deutschen Bundesländern.

Jeder Dritte der Eingelieferten hat sich derart zugerichtet, dass er "mehr als zwei Tage" im Krankenhaus bleiben muss, heißt es in der Antwort der Kleinen Anfrage. Christina Schadt von der Fachstelle für Suchtprävention des Landes Berlin sieht die Schuld aber vorwiegend nicht bei den Kindern und Jugendlichen selbst. "Alkohol ist ein gesamtgesellschaftliches Problem." Viele Eltern lebten den Kindern den Konsum vor.

Sie kritisiert zudem den zwar illegalen, aber immer wieder zu beobachtenden Verkauf von Alkohol an Kinder und Jugendliche - sei es am Kiosk oder im Supermarkt. "Alkohol geht immer auch durch die Hände der Erwachsenen." Sie ist der Meinung, dass Jugendschutz konsequenter umgesetzt werden muss.

Das sieht Clara Herrmann von den Grünen genauso: "Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Bezirke es derzeit nicht schaffen, die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes zu kontrollieren." Die Ordnungsämter hätten zu wenig Personal. Zudem arbeiteten sie meist nur bis 22 Uhr. "Eigentlich ist die Kontrolle aber vor allem später sinnvoll."

Schaut man sich die Zahlen genauer an, dann stellt man fest, dass zwischen den Bezirken eine Verschiebung stattgefunden hat: In Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg ist ein starker Rückgang der wegen akuter Alkoholvergiftung behandelten Kinder und Jugendlichen zu beobachten. Dagegen haben sich die Zahlen in Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg nahezu verdoppelt. Mit 40 Fällen führt Marzahn-Hellersdorf die Tabelle inzwischen an.

"Viele Jugendliche haben heute eine sportliche Einstellung zum Trinken, es ist ein Art Wettbewerb dabei", sagt Jörg Kreutziger vom Projekt "Hart am Limit" (HaLT) in Lichtenberg. Er berät genau jene jungen Leute, die wegen ihres Alkoholkonsums in der Klinik landen. Die Krankenhäuser rufen ihn und seine Kollegen an. Sie kommen dann sofort ans Krankenbett und bieten den Jugendlichen ihre Hilfe an.

Kreutzigers Arbeit besteht darin, die Jugendlichen für die Risiken ihres Verhaltens zu sensibilisieren, sie im Umgang damit zu schulen. 120 Fälle betreute die Einrichtung im vergangenen Jahr. Anders als in den Medien oft berichtet seien es nicht die Flatrate-Partys, auf denen sich die Jugendlichen zu Pauschalpreisen betrinken. "Nach unserer Erfahrung mischen sich die meisten ihre Getränke selbst zusammen."

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