Rot-roter Streit: Wowereit drückt sich vor Europa

Die Koalition will sich im Abgeordnetenhaus nicht festlegen, wie sie bei der Abstimmung über den EU-Reformvertrag im Bundesrat votieren wird. Die Linkspartei ist strikt dagegen, die SPD laviert. Die Opposition ist empört.

Noch ist nicht klar, wie sich das Land Berlin zum Lissabon-Vertrag stellt. Bild: AP

Symbolischer hätte die Debatte nicht beginnen können. Als Franziska Eichstädt-Bohlig am Donnerstag im Abgeordnetenhaus zu reden beginnen wollte, war der Regierende Bürgermeister nicht an seinem Platz. Die grüne Fraktionschefin wartete einfach minutenlang mit ihrer Rede, schweigend am Pult stehend, bis Klaus Wowereit in den Saal kam. Und als er sich schließlich setzte, tat er es nicht auf der Regierungsbank, sondern in den Reihen seiner SPD-Fraktion, wo ihn TV-Kameras und Fotografen nicht so leicht erwischen konnten. Wowereit wusste wohl: Was folgen würde, ließ seine Regierung nicht gut aussehen.

Immerhin hatten sich Grüne und CDU gemeinsam den derzeit wundesten Punkt des Senats ausgesucht, um eine Stunde im Parlament darüber zu debattieren. Es ging um die Frage: Wie wird sich Rot-Rot am 23. Mai bei der Abstimmung über den EU-Reformvertrag im Bundesrat verhalten? Ja, Nein, Enthaltung? Seit Wochen kämpfen hinter den Kulissen SPD und Linkspartei gegeneinander und wissen doch nicht, wie sie ohne Schrammen aus ihrem Dilemma herauskommen sollen.

Denn die Linkspartei hat sich festgelegt: Nein zum Vertrag von Lissabon. Hingegen will die SPD dafür stimmen, um nicht bundesweit als Europagegner dazustehen, der sich obendrein von der Linkspartei vorführen lässt. Doch genauso wirkten am Donnerstag die Sozialdemokraten.

Überraschend heftig schmähte Eichstädt-Bohlig den Regierenden. Wenn der ein Nein oder eine Enthaltung im Bundesrat zulasse, werde er zum "Bettvorleger vor dieser Linkspartei". Wenn die Sozialisten gar "den Schönbohm machten" - also bei der Abstimmung demonstrativ anders stimmten als der Regierungschef - sei die Blamage gewaltig. Das schade auch der ohnehin schwachen Bundes-SPD. "Dann brauchen Sie sich ums Kanzleramt gar nicht erst zu bewerben." In Richtung Linkspartei ätzte Eichstädt-Bohlig, ihr gehe es nicht um eine differenzierte Kritik am EU-Vertrag, sondern um "nationalen und fremdenfeindlichen Stimmenfang".

Sichtlich gereizt konterte der Parteichef der Linken Klaus Lederer, die anwesenden Befürworter des Vertrags hätten ihn wohl nicht gelesen. Die "Sicherung sozialer Standards" fehle dort ebenso wie das im Grundgesetz verankerte Verbot eines Angriffskrieges. Der "europäischen Politik der Einschränkung von Bürgerrechten" könne seine Partei nicht zustimmen.

Eichstädt-Bohlig legte den Finger noch einmal in die Wunde: "Ja oder Nein. Darum geht es." Da konnte Frank Zimmermann im Namen der SPD nur kleinlaut antworten: "Das Parlament kann das nicht vorgeben", sondern der Senat. Dessen Chef Klaus Wowereit blieb während der ganzen Debatte in den Reihen der SPD sitzen. Und schwieg.

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