S-Bahn: Die Weichen werden neu gestellt

Vor genau einem Jahr begann die Krise der S-Bahn. Die Bahn hat sich seither immer nur dann bewegt, wenn sie musste. Jetzt bessert der Senat den Verkehrsvertrag nach.

Da kann die S-Bahn ausnahmsweise mal nix für: Besprühter Waggon Bild: dierk schaefer/CreativeCommons BY 2.0 US

Die Deutsche Bahn hat nachgegeben, wieder einmal. Zunächst hatte sie die Forderungen nach einer Nachbesserung des Vertrages mit dem Land Berlin über den S-Bahn-Verkehr in der Hauptstadt abgelehnt. Am Mittwoch stellte Ulrich Homburg, Vorstandsmitglied der Bahn, zusammen mit Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) genau diese Nachbesserung vor. Damit sei man nun "auf einem guten Weg, das Vertrauen der Fahrgäste und des Bestellers nachhaltig zurückzugewinnen", hoffte Homburg.

Der "Besteller", das ist das Land Berlin, das bei der Deutschen Bahn den S-Bahn-Verkehr bestellt und dafür rund 240 Millionen Euro pro Jahr zahlt (zusätzlich zu dem Geld der Fahrgäste für die Tickets). Der Verkehr wird dann von der S-Bahn Berlin GmbH organisiert, einer Tochter der Deutschen Bahn.

Der Vertrauensverlust auf breiter Front begann vor genau einem Jahr. Damals hatte das Eisenbahnbundesamt einen guten Teil der S-Bahnen wegen mangelhafter Wartung der Räder aus dem Verkehr gezogen. Es begann das Horrorjahr für die S-Bahn, ein echtes "annus horribilis". Der Reihe nach wurden Probleme mit den Rädern, den Achsen und den Bremszylindern bekannt. Teilweise fuhren nur noch ein Drittel der Züge. Sogar die Schlagader des S-Bahn-Verkehrs, die Strecke vom Ostbahnhof über Alexanderplatz, Bahnhof Friedrichstraße bis zum Bahnhof Zoo, kam zum Erliegen. Die S-Bahn kündigte ständig an, ab wann wieder alles besser werden soll - um die Ankündigungen dann ein ums andere Mal wieder einzusammeln und die Kunden ein weiteres Mal zu vertrösten.

Die Ursache: Bei der S-Bahn wurde offenbar seit Jahren geschludert, wofür eine von der Bahn eingesetzte Kanzlei nicht etwa die Mitarbeiter, sondern die Unternehmensführung verantwortlich machte. Die habe "die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation verletzt". So waren etwa Arbeitsanweisungen fehlerhaft, auch ausreichende Schulungen für die Mitarbeiter gab es nicht. "Vor allem existierte kein funktionierendes System der Qualitätssicherung", so die Gutachter.

Früher galt die S-Bahn als das zuverlässigere Verkehrsmittel. Zuverlässiger jedenfalls als die Busse und Bahnen, die von der BVG betrieben werden (die dem Land Berlin gehört). Das hat sich innerhalb eines Jahres gründlich geändert. "Wenn früher mal eine S-Bahn im Tunnel kurz anhielt, dann ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass das auch etwas Gefährliches sein könnte", sagt Claudia Hämmerling, Verkehrspolitikerin der Grünen im Abgeordnetenhaus. Nachdem einmal bei einer S-Bahn in der Fahrt die Türen aufgingen und es weitere Pannen gab, "mache ich mir Gedanken über meine Sicherheit in einem öffentlichen Verkehrsmittel".

Die Bahn hat in dem ganzen Jahr immer nur dann nachgegeben, wenn es sich nicht mehr verhindern ließ. Erst lehnte sie zum Beispiel eine Entschädigung der Kunden für die Zugausfälle rundheraus ab. Dann legte sie doch einen Vorschlag vor. Als sich die Situation nicht besserte, lehnte die Bahn weitere Entschädigungen zunächst ab, um dann doch noch ein weiteres Paket vorzulegen, sogar noch größer als das erste. "Ich glaube schon, dass bei der Bahn inzwischen angekommen ist, dass sie nicht mehr bei der Sicherheit sparen dürfen", sagt Hämmerling. "Aber sonst macht sie nur das, was nötig ist."

Jetzt ist es wieder einmal so weit. Die Bahn stimmt zu, dass der Senat ihr nicht so viel Geld zahlen muss, wenn sie nur S-Bahnen mit der halben oder dreiviertel Länge auf die Schienen schickt. Bisher konnte der Betrag nur dann gekürzt werden, wenn ein Zug gar nicht fuhr. Auch neu: Wenn die S-Bahn in Kundenumfragen schlecht abschneidet, darf der Senat mehr Geld einbehalten als bisher.

Das Ziel der Bahn: Sie will weiter den Auftrag für das komplette S-Bahn-Netz in Berlin erhalten. Der aktuelle Vertrag läuft noch bis 2017. Der Senat hat angedroht, die Ringbahn-Strecke im offenen Wettbewerb zu vergeben, wodurch auch ein Konkurrent zum Zuge kommen könnte. Die Entscheidung soll noch in diesem Jahr fallen. Der Verlust dieser Strecke wäre für die Bahn schmerzlich - um das Land nicht völlig zu vergrätzen, ist sie sogar bereit, bei den Klauseln des derzeit laufenden Verkehrsvertrages nachzugeben.

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