Berliner Drogenpolitik: Ecstasy erst testen, dann werfen

Grüne wollen mit Drugchecking-Modellprojekt die Aufklärung über chemische Drogen und ihre Nebenwirkungen verbessern. Unterstützung kommt von SPD und Linkspartei

In einem Labor könnten Ecstasy-Pillen kontrolliert werden Bild: rtr

In der Schweiz und Österreich können sich Partygänger entscheiden, ob sie eine Ecstasy-Pille sofort schmeißen - oder erst einmal ein Stück abreiben und auf ungewollte Nebenwirkungen untersuchen lassen. Die Grünen wollen ein solches Drugchecking-Projekt auch für die Berliner Party- und Drogenszene. Der rot-rote Senat zeigt sich offen: Man führe bereits Gespräche über ein Modellprojekt.

Im vergangenen Jahr starben nach Angaben des Landeskriminalamtes in Berlin 124 Menschen nach dem Konsum von Drogen. Das sind zwar 20 Prozent weniger als im Vorjahr, aber vor allem der Konsum synthetischer Drogen steige, meldet die Bundesdrogenbeauftragte. Die Grünen werden nun einen Antrag auf die Einführung eines Modellprojekts "Druckchecking und Prävention" ins Parlament einbringen. Nach der Vorstellung von Mitinitiator Benedikt Lux, dem innenpolitischen Sprecher der Grünen, könnte ein mobiles Druckchecking-Team in der Partyszene unterwegs sein und vor Ort Substanzen analysieren.

"Im Moment hat die ganze Drogenberatung doch überhaupt keine Ahnung, was in der Szene im Umlauf ist", sagt der Pharmazeut Tibor Harrach. Er war Mitte der 1990er Vorsitzender von Eve and Rave. Der Verein hatte damals das erste und einzige Drugchecking-Projekt Berlins auf die Beine gestellt. Gegen 50 bis 70 Mark konnten Substanzen anonym eingeschickt werden. Der Verein ließ die Probe von der Charité analysieren und informierte über ungewöhnlich hohe Dosierungen oder gefährliche Zusatzstoffe. Nach anderthalb Jahren und einer Polizeirazzia wurde das Projekt eingestellt.

Inzwischen ist Harrach mit vielen ausländischen Initiativen vernetzt, die Drugchecking zum Teil kostenlos anbieten. Die Ergebnisse aus diesen Ländern zeigten klar, dass die Palette chemischer Drogen genau wie die ihnen beigesetzten Zusatzstoffe stetig größer würden. Die gesundheitlichen Folgen reichten von Übelkeit bis zum Tod durch Überhitzung, so Harrach. Die Angst, Drugchecking könnte den Konsum erhöhen, sei durch Studien klar widerlegt. "Gerade Unentschlossene entscheiden sich nach der Analyse häufig gegen den Konsum", so Harrach.

Auch im rot-roten Senat hat man das Thema auf der Agenda. Von einer Sprecherin der Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hieß es, man sei dem Thema aufgeschlossen und führe bereits seit 2009 Gespräche mit der Initiative Drugchecking Berlin Brandenburg über ein Modellprojekt. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Isenberg, sieht "klaren Handlungsbedarf". Beide Parteien wollen die Ergebnisse einer Fachtagung Anfang Mai abwarten.

Kritik kommt von der Landesdrogenbeauftragten Christine Köhler-Azara. Sie sehe nicht ein, dass die Gesellschaft noch mehr Verantwortung für den Drogenkonsum von Partygängern übernehmen solle und dafür Gelder von anderen Projekten abgezogen würden. "Drugchecking ist ein Luxus, den wir uns in Berlin nicht leisten können."

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