… DER SENAT?
: An der Liebe sägen

Keine Angst, wenn Sie nicht wissen sollten, was „Liebesschlösser“ sind: Es ist nichts Unanständiges. Liebesschlösser finden nicht in finsteren Sado-Maso-Kellern Anwendung, sondern im hellen Licht der Öffentlichkeit. Vielleicht haben Sie schon mal welche gesehen. Es sind handelsübliche Vorhängeschlösser unterschiedlicher Größe und Qualität, die von frisch Verliebten, Verlobten oder Verheirateten an handelsüblichen Brückengeländern angebracht werden. Oft tragen die Glücklichen vorher per Gravur oder Permanent-Marker ihre Namen und das aktuelle Datum auf. Dann geht alles ganz schnell: Schloss anhängen, Schlüssel in den Fluss, fertig ist der Bund fürs Leben.

Woher dieser Brauch stammt, ist nicht abschließend geklärt. Die deutsche Wikipedia verortet seinen Ursprung in Italien, die englische behauptet, die ersten „Love Padlocks“ seien in China zugeschnappt. Wie dem auch sei, von Rom bis Taipeh, von Riga bis Montevideo stößt man heute auf Messingtrauben an den Brückengeländern. In Deutschland ist die Kölner Hohenzollernbrücke reich behängt, und auch in Berlin wurden schon Schlösser gesichtet, etwa an der Weidendammer Brücke auf der Friedrichstraße.

Da hängen sie aber nicht lange, wie die B. Z. gestern entsetzt vermeldete: Der Senat, in Berlin für alles zuständig, was auf Stelzen, an Seilen oder freischwebend über ein Gewässer führt, macht kurzen Prozess mit den metallenen Liebesbeweisen und sägt sie ab. Wie unromantisch!

Tatsächlich bestätigt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, gegenüber der taz die rohe Praxis der Landesregierung: „Wir sind für die Sicherheit aller Brückenbauwerke zuständig und können nicht tolerieren, dass dort etwas ungenehmigt angebracht wird.“ Basta. Bei turnusmäßigen Begehungen würden die Schlösser registriert und später von beauftragten Firmen entfernt, erklärt Roland – egal, ob auf dem Fußgängersteg oder dem Autobahnviadukt. Übrigens habe man das von Anfang an so gehandhabt.

Soll man die Gefühlskälte des Senats beklagen? Vom ästhetischen Standpunkt aus betrachtet muss man ihm dankbar sein: Wo die Brückenpiercings ungestört wuchern können, bilden sie bald barocke, ja bizarre Gebilde, unter denen Stabwerk oder etwaiger Skulpturenschmuck auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Und, mal ehrlich, liebe Liebende: Tut es der Leidenschaft wirklich gut, wenn man nach ein paar Monaten feststellen muss, dass ausgerechnet Manne und Samantha ihr Schloss neben das eigene geklemmt haben?

Früher ritzten Verliebte noch ein Herz in die Rinde eines Baumes. Nachhaltig ist diese Praxis aus heutiger Sicht auch nicht mehr. Warum nicht besser ein Bäumchen pflanzen? Bei geeigneter Standortwahl und Pflege bleibt so ein Symbol viele Jahre frisch und kräftig. Wenn der Senat nicht wieder die Säge auspackt. CLP Foto: dapd