SPD Vorsitz-Gerangel: Die Basis kommt voll in Mode

Unterstützer von Parteichef Michael Müller basteln an einer Mitgliederbefragung: letzte Hoffnung für den Noch-Landeschef.

Einen Unterstützer schon sicher: Müller kann auf Wowereit bauen. Bild: dpa

In Teilen der SPD gibt es ernsthafte Bestrebungen, Landeschef Michael Müller über eine Mitgliederbefragung im Amt zu halten und den Herausforderer Jan Stöß abzuwehren. Im Landesvorstand hatte am Montag eine deutliche Mehrheit eine Basisbeteiligung abgelehnt. Nach dem Regelwerk der Partei lässt sich eine Befragung aber erzwingen, wenn sie mindestens vier der zwölf Kreisverbände fordern.

Ein Mitgliedervotum wäre formal nicht bindend, die Delegierten des Landesparteitags am 9. Juni könnten es aber kaum ignorieren. Am Mittwoch deutete sich an, dass es Chancen für diese Variante gibt. Ob es tatsächlich dazu kommt, werde sich spätestens in der ersten Maiwoche entscheiden, sagte Christian Gaebler, Müller-Unterstützer und SPD-Kreischef von Charlottenburg-Wilmersdorf, der taz.

Bereits am Montag hatte Stöß, Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg, seine lange erwartete Gegenkandidatur offiziell gemacht. Er hätte nach gegenwärtiger Einschätzung eine Mehrheit der 225 Delegierten des Landesparteitags hinter sich. Der amtierende Landeschef Müller hatte freilich schon Anfang März angeregt, die rund 16.000 Mitglieder des Landesverbands an der Entscheidung zu beteiligen. Müller besetzt den Posten seit 2004, war bis Ende 2011 Fraktionschef und ist seither Senator für Stadtentwicklung. Kritiker fordern, Regierungsamt und Parteivorsitz zu trennen.

Für eine Mitgliederbefragung über Personalentscheidungen gibt es in der SPD durchaus Vorbilder. Mitte der 90er konnten die SPDler bundesweit darüber bestimmen, ob sie Gerhard Schröder, Heidemarie Wieczorek-Zeul oder den letztlich erfolgreichen Rudolf Scharping an der Spitze ihrer Partei sehen wollten. In Berlin gab es vor der jüngsten Bundestagswahl 2009 mehrere Direktkandidaten, über die die Mitglieder direkt entscheiden konnten. Interessanterweise kam das in zwei Kreisverbänden vor, die am Montag ein Mitgliedervotum nicht unterstützten: Stöß’ Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und Spandau, wo der neue Fraktionschef Raed Saleh Kreisvorsitzender ist.

Saleh mochte am Mittwoch nicht sagen, warum er einmal die Basisbeteiligung stützte, einmal nicht. „Ich werde mich dazu nicht öffentlich äußern“, sagte er der taz, „die Debatte muss parteiintern geführt werden.“ Stöß hatte tags zuvor geäußert, ein Kandidat könne sich kein Verfahren aussuchen, bei dem er sich bessere Chancen ausrechne.

Laut Gaebler, der auch Staatssekretär in Müller Senatsverwaltung für Stadtenwicklung ist, könnten sich fünf bis sechs Kreisverbände für eine Direktwahl aussprechen: sein eigener in Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg – dort ist Müller zuhause –, Steglitz-Zehlendorf, Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Mitte.

Wenn es die Initiative gebe und sich Müller und Stöß nicht auf andere Art einigten, „werden wir eine Mitgliederbefragung unterstützen“, bestätigte Treptow-Köpenicks SPD-Chef Oliver Igel. Der Kreischef der Südwest-SPD, Michael Arndt, mochte sich nicht festlegen, schloss aber nicht aus, dass es beim Kreisparteitag am Samstag einen Antrag auf Mitgliederbefragung gebe. Müller und Stöß würden sich dort präsentieren und um die Nominierung durch den Kreisverband werben, den zweitgrößten der Berliner SPD.

Müller-Unterstützer Gaebler, als früherer parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion eher begabter Strippenzieher, mag gar nicht so tun, als sei er abrupt zum Vorkämpfer für Basisbeteiligung geworden. „Die Begeisterung für eine Mitgliederbefragung hält sich in Grenzen“, sagte er, „aber so wie sich das jetzt aufgeschaukelt hat, wäre sie in diesem Fall sehr sinnvoll.“

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