CHRISTIAN SPECHT?
: Die SPD vor sich hertreiben

Christian Specht, Berlins schillerndster Politaktivist, hat von jeher ein Faible fürs Radio. Einst interviewte er mit einem Holzmikrofon U-Bahn-Fahrer, später versuchte er mit Verve, Radio Multikulti zu retten – wie zuvor auch schon das „Radio 100“ und „DT64“. In den letzten Jahren nun stürzte sich Specht auf die Strukturen: Auch Behinderte gehörten in den Rundfunkrat des RBB, so seine wieder und wieder zu Flugblatt und Unterschriftenliste gebrachte Forderung. Weil: Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt müsse alle in der Gesellschaft berücksichtigen.

Auch bei der taz, bei der Specht seit Jahren einen Schreibtisch unterhält, warb der 43-jährige Neuköllner für sein Anliegen. Kein tazler, der nicht zu einer Unterschrift überzeugt wurde. Und nun endlich auch die SPD. Die verkündete am Dienstagabend, was von Specht längst vorgedacht: Der Rundfunkrat soll einen Sitz für einen Behindertenvertreter erhalten.

Birgit Monteiro, SPD-Sprecherin für Behindertenpolitik, nannte den Beschluss ihrer Fraktion ein Zeichen der „Anerkennung und Wertschätzung“. „Wir können und wollen auf die direkte Beteiligung dieser großen Bevölkerungsgruppe, auch im RBB-Rundfunkrat, nicht verzichten.“ Gleiches gelte für Senioren, die nun ebenfalls einen Vertreter in das 30-köpfige Gremium entsenden sollen. Dafür, so Monteiro, müsse der Senat nun zwei Sitze extra beschließen oder „anderweitig umstrukturieren“.

Es ist Spechts – früher Mitglied diverser Parteien – bisher größter politischer Erfolg. Nur logisch, dass er sich nun auch als erster Anwärter auf den Neuposten ins Gespräch bringt: „Jetzt kandidiere ich auch, als Behindertenvertreter, nicht als Seniorenvertreter“, so Specht am Mittwoch. Erfahrung hat er ja, sitzt er doch seit einigen Wochen bereits im Friedrichshain-Kreuzberger Behindertenbeirat.

Würde Specht tatsächlich im RBB-Rundfunkrat landen, brächte das endlich Feuer in die Kaffeerunde. Denn wichtigste Aufgabe des Gremiums ist neben der Programmaufsicht die Wahl der RBB-Intendanz, seit 2003 von Dagmar Reim ausgefüllt. Und ebenjene machte 2008 Radio Multikulti dicht – da hat Specht noch eine Rechnung offen.

Die Ankündigung von Dagmar Reim, 2013 für eine dritte Amtszeit kandidieren zu wollen, steht nun unter einem anderen Stern. Es würde wundern, träfe man Christian Specht demnächst nicht wieder mit Klemmbrett und Unterschriftenliste an. KO Foto: taz