Nix mehr Müller, oder was?

WAHLKAMPF Herausforderer Jan Stöß ist nun klarer Favorit für den SPD-Landesvorsitz. Die Anhänger von Amtsinhaber Michael Müller klammern sich weiterhin an eine mögliche Mitgliederbefragung

Im Duell um den SPD-Landesvorsitz ist Jan Stöß gegenüber dem Amtsinhaber Michael Müller nun klar in der Favoritenrolle. Einen Monat vor dem Wahlparteitag am 9. Juni weiß der Chef des Kreisverbandes Friedrichshain-Kreuzberg und Sprecher des linken Parteiflügels die Mehrheit der Delegierten hinter sich. Am Samstag nominierten ihn die Genossen in Reinickendorf. In Pankow fiel die Zustimmung allerdings knapper aus als erwartet: 46 Stimmen für Stöß, 39 für Müller. „Ich gehe trotzdem davon aus, dass die Delegierten dem Kreisvotum folgen“, sagte Kreischef Alexander Götz der taz.

Am Donnerstag hatte Stöß den Kreisverband Mitte auf seine Seite ziehen können, der bislang als unentschieden galt: Er bekam 86 von 122 Stimmen. Die Unterstützung von Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Spandau gilt als sicher.

Müller dagegen hatte am Freitag sehr deutlich Charlottenburg-Wilmersdorf für sich entschieden und weiß die mitgliederstarken Verbände Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg sowie Treptow-Köpenick hinter sich. Damit steht es rechnerisch 117 zu 96 für Stöß. Ausgemacht ist sein Sieg aber nicht, die 225 Delegierten können sich über das Kreisvotum hinwegsetzen.

Müller ist seit 2004 Parteichef. Dass er seit Herbst auch Senator für Stadtentwicklung ist, halten seine Kritiker für ein Problem. Stöß hat angekündigt, den Senat auch vor sich her treiben zu wollen. Auf vier Regionalkonferenzen im Mai wollen sich die beiden Kandidaten der Basis stellen.

Derweil versuchen Genossen aus dem Müller-Lager, gegen den Willen des Landesvorstandes die Basis zu beteiligen. Die Initiative geht von zwei Spandauer Ortsvereinen aus. Der Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf will das Mitgliederbegehren unterstützen – aber erst, wenn ein erneuter Appell an den Landesvorstand, noch vor dem Parteitag die Mitglieder zu befragen, keine Wirkung zeigt. Zehn Prozent der rund 16.000 Berliner SPD-Mitglieder müssen unterschreiben, damit es einen Mitgliederentscheid gibt, der dann in eine – nicht bindende – Mitgliederbefragung über den Landesvorsitz münden kann. Das dürfte Monate dauern, einen Aufschub der Wahl lehnt der geschäftsführende Landesvorstand ab. Sollte die SPD-Basis am Ende eine Wahl treffen, ist der neue Chef aller Voraussicht nach also längst im Amt. SEBASTIAN ERB