Einfach taktlos

CLUBKULTUR Wird die Gemareform Realität, sind kleine Clubs erledigt. Nun wird versucht, auf die Konfliktparteien einzuwirken

„Jedes Getränk müsste mindestens 3 Euro mehr kosten, dafür würden die Löhne und DJ-Gagen sinken“

K. KRÜGER, KITKAT CLUB

VON SEBASTIAN PUSCHNER

„Parties für zivilisierte Leute“ hat sich der KitKat Club auf die Fahnen geschrieben. „Wohlhabende Leute“, könnte Betreiberin Kirsten Krüger bald ergänzen. Denn falls die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Verfielfältigungsrechte (Gema) ihre für 2013 vorgesehene Tarifreform durchsetzt, muss der 18 Jahre alte Kultklub nahe der Jannowitzbrücke seine Einnahmen massiv steigern, um zu überleben. „Jedes Getränk müsste mindestens 3 Euro mehr kosten, Löhne und DJ-Gagen würden sinken“, sagt Krüger. Wie über dem KitKat Club schwebt das Fallbeil der Gema über vielen Berliner Clubs und Kultureinrichtungen – vor allem über den kleinen.

Seit April zürnt die Szene der Gema, weil die ihr Abgabemodell verändern und die Beiträge stark erhöhen will. Der KitKat Club müsste laut Krüger für den Standardtarif statt wie bislang 19.000 Euro 150.000 Euro pro Jahr abführen. Derzeit läuft am Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München das Schiedsverfahren zwischen Gema und der Bundesvereinigung der Musikveranstalter. Ein Schiedsspruch über die Gemapläne soll Anfang 2013 folgen. Findet der bei den Kontrahenten keine Zustimmung, geht es vor Gericht.

„In einem solchen Verfahren ist es notwendig, dass sich beide Seiten bewegen“, fordert nun der Chef der Berliner Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD). Er versucht im Auftrag aller Fraktionen des Abgeordnetenhauses, im Interesse der Berliner Kreativwirtschaft auf Gema und DPMA einzuwirken. Bewegt hat sich dabei zuletzt die Gema: Sie schloss mit dem Dachverband der Karnevalsvereine eine Vereinbarung, die die Tariferhöhungen leicht entschärft – für Böhning ein „Vertragsmodell für einen fairen Interessensausgleich“. Dieses Modell würde nach jetzigem Stand auch für alle anderen Veranstalter gelten und sieht etwa vor, Zeitaufschläge nicht nach fünf, sondern erst ab acht Stunden zu verlangen.

„In Berlin kann eine Party aber durchaus von Freitagabend bis Montagfrüh dauern“, sagt Lotar Küpper, Sprecher des Bündnisses FAIRplay, zu dem sich viele Berliner Clubs im Widerstand gegen die Gemapläne zusammengeschlossen haben. Die Zeitaufschläge seien wie vieles andere „unerträglich für die elektronische Musikkultur Berlins“.

Es ist nicht die Erhöhung der Abgaben an sich, die die Kulturveranstalter ärgert. „Wir sind grundsätzlich bereit, mehr Geld für Urheberrechte zu entrichten“, sagt etwa der Geschäftsführer des 1977 als ersten Schwulenclub Westberlins gegründeten SchwuZ, Marcel Weber. „Aber so viel mehr zu erwirtschaften ist unmöglich.“ 85.000 statt 11.000 Euro jährlich müsste das SchwuZ an die Gema überweisen: „Unsere 73 Mitarbeiter haben Angst. Wir müssten wirklich schließen“, sagt Weber.

Schließen müsste auch das Berghain, unkten im Juli diverse Medien. Das haben die Betreiber inzwischen zurückgewiesen: 300.000 Euro Gemakosten würden dem Touristenmagnet der Berliner Clublandschaft nicht das Genick brechen. Nur der geplante Neubau eines Veranstaltungsraums für Theater- und Konzertabende liegt auf Eis.

Weil aber viele kleine Clubs in ihrer Existenz bedroht sind, wollen Berlins Veranstalter und Clubjünger Anfang September wieder demonstrieren – vor der Berliner Regionaldirektion der Gema. Motto: Gemeinsam gegen GEMAinheiten.