Energie: Berlin hat den Sonnen-Blues

Energie Das größte Solarkraftwerk Berlins auf dem Dach des Moabiter Großmarkts ist am Netz. Für Stadtstaaten sind solche Anlagen eine vielsprechende Quelle sauberer Energie. Bisher nutzt Berlin das Potenzial kaum aus

Der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller (SPD, l), und der Geschäftsführer der Berliner Energieagentur (BEA) Michael Geißler. Bild: DAPD

Da steht es nun, das größte Berliner Solarkraftwerk, einfach so auf das Dach des Blumengroßmarktes an der Beusselstraße montiert. Mattblau-glänzend reihen sich mehr als 5.500 knapp ein Quadratmeter große Module hintereinander. Doch die sommerlich-schwülen Temperaturen von über 30 Grad machen es nicht nur den Gästen schwer, die am Montagvormittag zur Einweihung gekommen sind, unter ihnen Umweltsenator Michael Müller (SPD). Auch die Solarzellen können nur die halbe Leistung bringen. „Zu diesig“, erklärt Helmar Rendez, der Vertreter des Energieversorger Vattenfall.

Das Kraftwerk in Moabit ist die 4400. dezentrale Photovoltaik-Anlage, die in Berlin ans Netz gegangen ist. Die gewonnene Energie wird ins Stromnetz eingespeist; bei strahlend blauem Himmel können damit 700 Haushalten versorgt werden. Betreiber der Anlage ist die Berliner Energieagentur, deren Anteile vom Land Berlin, der Gasag, Vattenfall und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gehalten werden. Mindestens 20 Jahre lang soll die Anlage laufen, nach 16 Jahren könnten die Investitionskosten von 2,3 Millionen Euro wieder drin sein. Der Großmarkt erhält für die Fläche auf seinem Dach einen Pachtbetrag.

Hergestellt und installiert wurden die Module vom Berliner Unternehmen Solon. Solon hatte im Dezember 2011 Insolvenz anmelden müssen, ehe es im März vom arabisch-indischen Solarunternehmen Microsol übernommen wurde. Ähnlich wie Solon haben viele Solarproduzenten in der Bundesrepublik mit der chinesischen Konkurrenz zu kämpfen, die deutlich billigere Photovoltaik-Anlagen baut.

Es fehlt an Fläche

Die Nutzung solcher Anlagen ist gerade für Stadtstaaten wie Berlin interessant, die nur über wenig freies Land verfügen. Rund 220.000 Dächer sind nach Angaben von Berlin Solar Network e.V., dem Interessenverband der hiesigen Solarindustrie, für solche Anwendungen gut oder sehr gut geeignet. Möglich sei, dort bis zu 3,2 Millionen Megawattstunden pro Jahr zu gewinnen, 77 Prozent des privaten Berliner Stromverbrauches ließen sich damit abdecken. Doch tatsächlich sind bisher gerade einmal 9.000 Dächer mit Solaranlagen bestückt.

„Die Nutzung von Photovoltaik ist in Berlin sehr gering“, bestätigt auch Jochen Diekmann, stellvertretender Abteilungsleiter für Energie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Gerade einmal 0,5 Prozent seines Potenzials nutze Berlin, schätzt Diekmann. Daran habe sich auch unter Rot-Schwarz nichts geändert. Andere Bundesländer wie Bayern oder Baden-Würtemberg seien viel weiter. Allerdings scheint dort die Sonne auch deutlich häufiger.

„In Berlin mangelt es an politischer Unterstützung“, erklärt Eva-Catrin Reinhardt, Geschäfsführende Gesellschafterin von RDS Energies. Das Unternehmen bringt AnbieterInnen von Dächer mit Interessenten zusammen, die auf diesen Solaranlagen errichten möchten. „Dabei ist das Potenzial in der Stadt gigantisch“ – auch wenn es nach der Neuregelung des Erneuerbare-Energie-Gesetzes eine gewissen Verunsicherung gäbe. Gerade Interessenten, die Dächer öffentlicher Gebäude pachten wollten, hätten jedoch mit einer schleppenden Verwaltung zu kämpfen.

Rund 1.500 öffentliche Gebäude verwaltet die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), eine hundertprozentigen Tochtergesellschaft des Landes Berlin. Gerade mal 34 von ihnen haben bis jetzt eine Solaranlage auf dem Dach. „Es muss jedes Mal geprüft werden, ob das Dach geeignet ist oder ob das Gebäude unter Denkmalschutz steht“, sagt Katja Cweja, Sprecherin der BIM. Bis zum Jahr 2016 sollen 200 der vom BIM verwalteten Häuser Strom vom Hausdach liefern. „Es gibt genug Nachfragen“, versichert auch Cweja. Bei Sanierungen werde bereits auf eventuelle Solaranlagen Rücksicht genommen.

Volker Gustedt kennt noch andere Hindernisse. Der Sprecher der Berliner Energieagentur, die die Solaranlage an der Beusselstraße errichtet hat, nennt als Beispiel Mobilfunkmasten oder Schornsteine, die häufig im Weg stünden. Von den 37 Solaranlagen, die die Energieangentur betreibt, liegen nur fünf auf Behördendächtern. „Die besten öffentlichen Gebäude sind schon weg“, glaubt Gustedt.

Michael Schäfer, klimapolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, möchte sich von solchen Nachrichten nicht entmutigen lassen. „Berlin könnte bis 2030 100 Prozent seines Stromes aus erneuerbarer Energie beziehen“, sagt Schäfer. „Wenn der Solarenergieausbau in Berlin halbwegs gut liefe, hätte der Umweltsenator gar keine Zeit, jede mittelgroße neue Anlage selbst einzuweihen“, ist sich Schäfer sicher.

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