Schönere Schulen in Berlin: Das flexible Klassenzimmer

Zwei Architektinnen bauen mit Grundschülern Klassenzimmer um, damit diese verschiedenen Situationen im Unterricht angepasst werden können.

Eine eher klassische Version eines Klassenzimmers. Bild: dpa

Eigentlich wäre jetzt Pause – aber in dieser Woche ist an der Steglitzer Rothenburg-Grundschule alles etwas anders. Die SchülerInnen der ersten bis dritten Klasse, die jahrgangsübergreifend zusammen lernen, wollen nämlich lieber weiterbasteln. Schließlich müssen noch Fenster ausgeschnitten und Regale geklebt werden, und die Hinterwand ihres neuen Klassenzimmers ist auch noch nicht fertig.

Die Kinder machen mit beim Projekt „Bauereignis“ der Berliner Architektinnen Susanne Wagner und Katharina Sütterlin, bei dem Klassenzimmer gemeinsam mit SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern neu geplant und umgebaut werden. Heute wird ein Modell des Zimmers mitsamt Möbeln gebastelt, aus Pappe und im Maßstab 1:10.

Während die achtjährige Katharina konzentriert ein Pappregal nach dem anderen zusammensetzt, überlegen Ben und Raphael, beide sieben, wie man nun am besten einen geraden Grundriss zeichnet. „Einfach mal durchziehen“, schlägt Raphael vor. Dann fällt ihm ein, dass es ja Geodreiecke gibt, mit denen das genauer gehen könnte.

Die Kinder arbeiten mit oder ohne Hilfe der Architektinnen und BetreuerInnen, meistens sind alle sehr konzentriert dabei. „Mir macht das so Spaß!“, ruft Raphael plötzlich in den Raum, als alle vier Wände des Modells richtig stehen.

Susanne Wagner und Katharina Sütterlin haben sich privat kennengelernt, als Mütter an der Kreuzberger Nürtingen-Grundschule. „Da haben wir erlebt, wie die räumliche Situation nicht mehr zu den Anforderungen einer zeitgemäßen Schule passt“, sagt Wagner. Gruppenarbeit statt Frontalunterricht, jahrgangsübergreifende Klassen und Ganztagsschule erfordern ein flexibles Klassenzimmer, in dem nicht für jeden Stuhlkreis eine halbe Stunde umgeräumt werden muss.

So entstand die Idee zum „Bauereignis“, das aus mehreren Phasen besteht: Am Anfang schreiben die Kinder ihre Wünsche auf. „Ich brauche große und kleine Tische“, steht da etwa, oder: „Ich möchte bunte Stühle.“ Dann wird gewählt, was am wichtigsten ist. Die Kinder an der Rothenburg-Schule wollen ein farbenfrohes Klassenzimmer, mit Platz zum Lernen „allein und zu vielen“. Eine Kuschelecke soll es geben und Rückzugsmöglichkeiten. Raphael wünscht sich sogar eine Kiste, „wo ich die Tür zumachen kann, und dann hab ich meine Ruhe“.

Ein häufiger Wunsch an Schulen mit viel Gruppenarbeit, erzählt Susanne Wagner. Die Klassenzimmer, die die Architektinnen an der Nürtingen-Grundschule umgestalteten, haben jetzt beides: ein Podest mit niedrigen Tischen darauf, um die sich viele Kinder sammeln können – und einzelne Arbeitsplätze mit Blick aus dem Fenster, an denen allein gearbeitet wird. Außerdem gibt es noch einen großen Teppich, Hängematten und verschiedene Möbel, die zum Reinkriechen und Herumklettern einladen.

In der zweiten Phase, die im März folgen soll, bauen SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen dann gemeinsam die neuen Möbel. „Dadurch, dass alle vom ersten bis zum letzten Schritt dabei sind, gibt es immer ein direktes Feedback“, sagt Wagner. Ein weiterer Effekt: Die Kinder gehen respektvoll mit der Einrichtung um – schließlich haben sie sie ja selbst entworfen und gebaut. Stolz darauf sind sie jetzt schon: „Ich bin wirklich sehr fleißig“, verkündet Alessia, die gerade eine Tür ausgeschnitten hat. Max und Tom bauen derweil einen Tisch, Mirko, der das Down-Syndrom hat, bastelt an einem Schubladenfach.

„Natürlich ist das Projekt für manche Kinder eine große Herausforderung, aber bis jetzt sind alle nach ihren Möglichkeiten mit Freude dabei“, sagt die Klassenlehrerin Christel Graaf. In der Feedbackrunde wird dieser Eindruck bestätigt: Der häufigste Satz: „Eigentlich fand ich heute alles toll.“

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