Und täglich grüßt das Wowi-Tier

DEBAKEL Terminverschiebung, die vierte: Dieses Jahr eröffnet der Großflughafen nicht mehr. Als einzige Konsequenz überlässt Klaus Wowereit den Chefposten im Aufsichtsrat seinem Kollegen Matthias Platzeck

„Der gesamte Aufsichtsrat gehört ausgewechselt“

SVEN-CHRISTIAN KINDLER, GRÜNE

VON ANTJE LANG-LENDORFF
UND BERT SCHULZ

Das Misstrauen sitzt tief. So tief, dass sich Klaus Wowereit am Montagnachmittag veranlasst sah, erst einmal klarzustellen: Der Flughafen in Schönefeld, diese scheinbar unkalkulierbare Riesenbaustelle, kann wirklich zu Ende gebracht werden – irgendwann: „Der Technikchef hat bestätigt, dass der Flughafen in seiner technischen Anlage fertigzustellen ist“, sagte der Regierende Bürgermeister vor der Presse. Dies ist wohl die wichtigste Nachricht des Tages.

Die zweitwichtigste: Wowereit macht den Chefsessel des Aufsichtsrats frei. Ob das ein Zeichen für einen Neuanfang ist, darf gut und gerne bezweifelt werden. Denn sein Nachfolger wird Parteikollege Matthias Platzeck, Ministerpräsident von Brandenburg. Auch Platzeck saß schon bisher im Aufsichtsrat. Und Wowereit selbst wird weiterhin dem Gremium angehören.

Am Sonntagabend war bekannt geworden, dass der Flughafen nicht wie geplant Ende Oktober eröffnet werden kann, sondern frühestens 2014 – die vierte Verschiebung, für jede trägt Wowereit als Aufsichtsratschef eine Mitverantwortung. Davon ließ er sich bei seinem Auftritt am Montag aber wenig beeindrucken. Etwas müde, doch relativ entspannt und in Teilen sogar gewohnt selbstgefällig, plauderte er über die erneute Verschiebung. Nein, einen neuen Termin werde er nicht bekanntgeben. „Aufgrund der Erfahrungen, die wir gemacht haben, werde ich mich da zurückhalten.“ Nein, er werde als Regierender nicht zurücktreten. Ja, es gebe eine vorgezogene Aufsichtsratssitzung am 16. Januar. Und ja, es werde dort eine weitere personelle Konsequenz geben: „Ich gehe davon aus, dass bei der Aufsichtsratssitzung auch ein Antrag auf Ablösung von Herrn Schwarz gestellt wird“, sagte Wowereit. Das werde allerdings nicht von ihm selbst ausgehen.

Den Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats begründete Wowereit folgendermaßen: „Es ist gut, deutlich zu machen, dass drei Gesellschafter Verantwortung für den Flughafen tragen.“ Berlin, Brandenburg und der Bund sind Eigner und Bauherren des Großflughafens. Wowereit will sich offenbar aus der Schusslinie nehmen: Im Gegensatz zu ihm perlte die meiste Kritik an Platzeck und den Vertretern des Bundes ab.

Die Opposition kritisierte das Wechselspiel im Aufsichtsrat am frühen Montagabend scharf. „Wowereits Reaktion ist lächerlich: Er verlässt den Aufsichtsrat nicht mal, um Platz für einen Profi zu machen“, so Martin Delius, Pirat und Chef des Untersuchungsausschusses zum Flughafen. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, wertete den Schritt als Eingeständnis, dass Wowereit beim BER den Überblick verloren habe. Sein Parteikollege im Bundestag, Sven-Christian Kindler, bezeichnete das Ganze als „Realsatire“: „Der gesamte Aufsichtsrat hat versagt und gehört ausgewechselt.“

Die Grünen im Abgeordnetenhaus, die sich bei den vergangenen Terminverschiebungen mit Kritik eher zurückgehalten hatten, fordern nun Wowereits Rücktritt als Regierender Bürgermeister und streben ein Misstrauensvotum an.

Anders als Wowereit stellt sich Platzeck von sich aus dem Parlament: Er werde bei der nächsten Landtagssitzung die Vertrauensfrage stellen, teilte sein Sprecher am Montag mit. Platzeck wolle sich an dieser „wichtigen Wegmarke der vollen Unterstützung der die Landesregierung tragenden Fraktionen absolut sicher sein“, hieß es aus der Staatskanzlei. Die nächste reguläre Sitzung des Brandenburger Landtags ist bislang für den 23. Januar geplant. Platzecks rot-rote Koalition hat eine deutliche Mehrheit.

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