Opposition will Wowereits Kopf

BER Auf einer Sondersitzung des Parlaments am Donnerstag muss sich der Regierende Bürgermeister erklären. Grüne und Piraten wollen einen Misstrauensantrag stellen

Ein einflussreicher CDUler glaubt, dass Wowereit diese Woche nicht überstehen wird

VON ANTJE LANG-LENDORFF
UND BERT SCHULZ

Viele Monate lang hat die Opposition das BER-Debakel ertragen, nun ist sie es leid. Grüne, Piraten und Linkspartei haben für Donnerstag, 9 Uhr, eine Sondersitzung des Abgeordnetenhauses beantragt. Darin soll Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister und noch für ein paar Tage Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, erklären, wie es zu der erneuten Verschiebung der Eröffnung kommen konnte. Und seit wann er davon wusste. Die Grünen drohen zudem mit einem Misstrauensantrag. Wahrscheinlich werden sie diesen auf ihrer heutigen Fraktionssitzung beschließen.

Am Sonntagabend war bekannt geworden, dass die Eröffnung des Pannenflughafens in Schönefeld erneut verschoben werden muss. Der angepeilte Termin Ende Oktober sei „real nicht zu halten“. Dies habe Flughafen-Technikchef Horst Amann den Flughafen-Gesellschaftern – den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund – in einem Brief mitgeteilt, der am Freitag eingegangen sei, so Brandenburgs Regierungssprecher Thomas Braune. Der Grund: erneute Probleme mit der Brandschutzanlage. Frühestens 2014 sollen nun vom Airport „Willy Brandt“ Flugzeuge abheben.

Offen blieb am Montag indes, ob Klaus Wowereit eventuell schon früher von einer nötigen Verschiebung gewusst hat. Hintergrund sind Medienberichte, wonach die Flughafen-Gesellschafter bereits Mitte Dezember darüber informiert waren, dass der 27. Oktober 2013 nicht zu halten sei. Die Sprecher beider Landesregierungen sowie der Bundesministerien für Verkehr und für Finanzen, aber auch Wowereit selbst widersprachen dieser Darstellung. Am 18. Dezember hatte sich Amann mit Vertretern von Unternehmen getroffen, die die Brandschutzanlage am Flughafen installieren.

Empört hatte sich CDU-Chef und Innensenator Frank Henkel gegeben: „Ich bin nicht nur fassungslos, sondern stinksauer. Es ist nicht hinnehmbar, dass ich als Aufsichtsratsmitglied von einem solchen Erdbeben am Sonntagabend aus den Medien erfahre.“ Henkel verlangte indirekt die Ablösung von Flughafen-Chef Rainer Schwarz: „Ich fühle mich von der Geschäftsführung desinformiert. Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Diese Forderung dürfte sich erfüllen: Auf seiner Pressekonferenz am Nachmittag kündigte Klaus Wowereit einen Wechsel in der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft an.

Einigen reicht auch das nicht. Für die bis dahin eher zahme Grünen-Fraktionschefin hat der Regierende den Bogen nun überspannt: „Wowereit ist zur Belastung für die Stadt geworden. Wir erwarten, dass er zurücktritt.“ In der Fraktion geht man davon aus, dass es zu einem Misstrauensvotum kommt. Pirat Martin Delius kündigte an, seine Fraktion werde das unterstützen. Würde ein Misstrauensvotum am Donnerstag beantragt, könnte es laut Landesverfassung frühestens 48 Stunden später, also am Samstag, abgestimmt werden.

Im Parlament hat Rot-Schwarz eine klare Mehrheit. Es bräuchte zwölf Abweichler bei SPD und CDU, um Wowereit zu stürzen. Selbst dem Regierenden nicht immer wohlgesinnte SPDler erwarten, dass ihre Fraktion bei einer Abstimmung geschlossen hinter Wowereit stünde. Kein Wunder, denn ein ernst zu nehmender Nachfolger ist nicht in Sicht. Weder Parteichef Jan Stöß noch Fraktionschef Raed Saleh gelten als erfahren genug, um Wowereits Erbe anzutreten. Finanzsenator Ulrich Nußbaum fehlt das SPD-Parteibuch, und Integrationssenatorin Dilek Kolat hat die Partei nicht hinter sich scharen können. Intern gibt es aber Kritik an Wowereit. „Wir haben ein massives Kommunikationsproblem“, so der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz zur taz. „Das Hauptproblem ist, dass wir uns zu früh und zu klar auf Termine festgelegt haben.“

Seitens der CDU hieß es, man schätze die Entwicklung als „Flughafenkrise, nicht als Regierungskrise“ ein. Über Kommunikationsstrukturen und -wege bei der Flughafengesellschaft müsse gesprochen werden. Im Klartext: Flughafenchef Rainer Schwarz soll weg. Allerdings erklärte ein einflussreiches CDU-Mitglied auch, Wowereit werde diese Woche wohl nicht als Regierender überstehen. Und als erste Berliner CDU-Politikerin forderte die Bundestagsabgeordnete Stefanie Vogelsang den Rücktritt des Regierenden.

Am heutigen Dienstagnachmittag kommt die CDU-Fraktion zu einer Sondersitzung zusammen. Bereits am Montagmittag gab es ein Krisentreffen der Gesellschafter des Flughafens. Am Nachmittag und Abend diskutierten die Vorstände der SPD sowie die SPD-Fraktion, später auch der Berliner Koalitionsausschuss über die erneute Verschiebung. Ergebnisse wurden vor Redaktionsschluss nicht bekannt.