Preußen mit Trabbi-Modellen

STADTSCHLOSS Mit Luftwaffenmarsch und Bratwurst hieß Berlin die neue Großbaustelle auf dem Schlossplatz willkommen. Zur Sicherheit stand auch ein Spendenautomat bereit

„Na, denn ma’ rin in die dicke Bertha!“, ruft ein Berliner im Rentenalter seiner Gattin zu. Sie betreten die Humboldtbox, um aus einem Panoramafenster die Großbaustelle am Schlossplatz zu begutachten. „Mickrig, dieser Grundstein“, meckert die Frau.

So klingt es, wenn sich die Berliner einen neuen Ort aneignen. Dazu haben sie am Sonntag reichlich Gelegenheit: Die Stiftung Berliner Schloss und der private Förderverein haben nach der Grundsteinlegung am Mittwoch zum Tag der Offenen Baustelle eingeladen. Mit Musik, Tombola und freiem Eintritt in die „dicke Bertha“, die blaue Humboldtbox, die über das neue Stadtschloss informieren soll.

Es ist ein großer Tag für die Fans des historischen Stadtschlosses, die sich nach langen Architekturdebatten schließlich durchgesetzt haben. Und sie geben sich alle Mühe, die Berliner auf ihre Seite zu ziehen. Der Besuch in der Humboldtbox ist gut geführt: Überall sind Mitarbeiter des Fördervereins präsent, erklären das riesige Modell, das Berlin um 1900 zeigt, animieren dazu, den mit Bach-Klängen unterlegten Animationsfilm über das neue Schloss zu sehen. Sie bitten die Besucher ins „Spendenbüro“, in dem man Beispiele für die Steinmetzarbeiten aus der Spandauer Schlossbauhütte sieht. Und sich spontan eine Spendenurkunde, etwa für einen der 48 noch zu fertigenden Adler, ausstellen lassen kann. Zur Sicherheit steht auch ein Spendenautomat im Raum. Eine Spendenuhr zeigt an, dass bislang bereits 26,5 Millionen Euro für die Barockfassade eingegangen sind. Auch im Souvenirshop gibt es viele Gelegenheiten, Geld für das Schloss zu lassen: Miniatur-Löwenköpfe, Sammelteller und Bierkrüge mit Schloss drauf. Lustigerweise gibt es auch Trabbi-Modelle – wo doch der Mitarbeiter vom Förderverein gerade noch betont hat, wie „quer zum Stadtraum“ doch der DDR-Palast der Republik gestanden habe.

Als Skeptiker des Preußenschlosses fühlt man sich in dieser Etage schnell unwohl: der triumphierende Ton, in dem den Besuchern erklärt wird, dass Berlin jetzt endlich wieder schön werde; das Gefühl, in einer preußischen Zeitkapsel eingeschlossen zu sein, weicht erst in den oberen Etagen, wo das moderne Konzept für das Humboldtforum erklärt wird. Draußen aber ist wieder überall nur Preußen: Beetrosen „Berliner Schloss“ stehen zum Verkauf, man kann den Grundstein besichtigen, Berliner Kindl trinken, Souvenirsteine kaufen. Dazu stimmt plötzlich ein Stabsmusikkorps der Bundeswehr einen Luftwaffenmarsch an. Fehlt nur noch ein Drehorgelspieler in dieser befremdlich restaurativen Inszenierung. NINA APIN