Künstler kämpfen um mehr Geld

KULTURPOLITIK Die Freie Szene wird die versprochenen Millionen aus der City Tax wohl abschreiben können. Ein neuer „Freier Kulturfonds“ soll die Kulturschaffenden retten

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Für die Künstler und Künstlerinnen der Freien Szene fällt Weihnachten in diesem Jahr voraussichtlich aus. An diesem Donnerstag entscheidet das Abgeordnetenhaus darüber, wie die Gelder aus der City Tax verwendet werden. Folgen die Parlamentarier der Vorlage des Hauptausschusses, dann werden die erwarteten 25 Millionen Euro aus der Übernachtungssteuer ab 2014 nicht anteilig an Kultur, Tourismus und Sport weitergegeben, sondern nur „überschießende Erträge“ dieser Summe. Aktuell spricht wenig dafür, dass die Abgeordneten von SPD und CDU sich im Plenum noch umentscheiden. Damit wären die versprochenen Etatsteigerungen 2014/2015 für die Kunst- und Kulturszene vom Tisch.

Die „Koalition der Freien Szene“ – ein großer Verbund aus Künstlern und Institutionen der bildenden Kunst, der Theater, vom Tanz und aus der Musik – forderte am Montag in einem wütenden Appell die Abgeordneten auf, die „Schlüsselrolle der Kultur für die Stadt nicht zu verspielen“, wie Christoph Knoch, Sprecher der Freien Szene, sagte. Sollten die ursprünglich für die unabhängigen Künstler reservierten Einnahmen aus der City Tax „komplett für andere Dinge verplant“ werden, bedeute dies ein „Totalversagen und eine Mutlosigkeit der Berliner Kulturpolitik“. Knoch erinnerte noch einmal daran, dass die öffentlichen Mittel für die Freie Szene seit Jahren bei rund 10 Millionen Euro stagnierten und eine Erhöhung sowie „Veränderung in der Kulturpolitik“ unbedingt notwendig seien.

Insgesamt beinhaltet der Kulturetat im kommenden Jahr 378 Millionen Euro, davon sind rund 95 Prozent für die großen kulturellen Institutionen der Stadt – Museen, Opernhäuser, Theater, Orchester, Bibliotheken – vorgesehen. Die im Doppelhaushalt 2014/15 jetzt zusätzlich eingestellten knapp 1,5 Millionen jährlich für die Freie Szene kritisierte Knoch als zu gering. Die „kulturelle Substanz Berlins“ und die Existenz von rund 40.000 freien Künstler in der Stadt sei weiterhin gefährdet.

Thierse solidarisiert sich

Angesichts der schlechten Aussichten schlug die Koalition der Freien Szene am Montag ein neues Förderinstrument vor: den „Freien Kulturfonds Berlin“. Die Gelder aus dem neuen Fonds sollen nach Ansicht der Initiative ausschließlich den freischaffenden Künstlern Berlins zugute kommen. Ginge es nach Knoch und seinen Mitstreitern, betrüge der Etat fünf Millionen Euro jährlich. Dieser Topf solle zusätzlicher Bestandteil des Kulturhaushalts werden.

Der frühere Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte am Montag der Freien Szene seine Unterstützung zu. Der Senat „muss die Berliner Kultur mit mehr Geld unterstützen“, so Thierse. Die Kultur und ihre Akteure seien „die Chance“ für die Stadt. Er rief das Abgeordnetenhaus auf, sich gegen die Vorlage zu entscheiden und für eine Verwendung der Mittel aus der City Tax zugunsten der Freien Szene zu stimmen.

Sabine Bangert, kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, kritisierte ebenfalls die Hauptausschuss-Vorlage und deren Konsequenzen. Von den anvisierten Mehreinnahmen aus der City Tax hätten die Kulturschaffenden nun nichts mehr, so Bangert. Für sie blieben, wenn überhaupt, ein paar wenige Euro übrig. „Mit der Vorlage hat sich vielmehr jegliche Hoffnung zerschlagen, dass es noch zu gravierenden Änderungen in der Kulturpolitik kommen könnte“, sagte die Abgeordnete. „Die Große Koalition bleibt ihrer Linie treu.“