„40 Leute standen da und haben nur geguckt“

RASSISMUS Schwarzer Weddinger im U-Bahnhof aufs Gleis gestoßen – Kritik an Polizei und Fahrgästen

Er kam vom Einkaufen in den U-Bahnhof Seestraße, als ein Mann ihn aufgrund seines Aussehens rassistisch beleidigte. „Er sprach mich auf meine Haare an, dabei trage ich keine spezielle Frisur“, sagt der schwarze 28-jährige Weddinger, der seinen Namen aus Vorsicht nicht nennen will. Als die Beschimpfungen nicht aufhörten, wollte er den weißen Täter zur Rede stellen. Der wiederholte die Beleidigung – daraufhin spuckte ihm der Angegriffene ins Gesicht. Der Täter spuckte zurück, schlug dem 28-Jährigen mehrmals ins Gesicht, bedrohte ihn mit einem Messer und stieß ihn auf die Gleise.

Das Opfer konnte aus eigener Kraft auf den Bahnsteig klettern, erlitt aber leichte Kopf- und Beinverletzungen. Alarmierte Polizeibeamte fanden das Messer bei dem Angreifer, der offenbar alkoholisiert war. Laut Polizei wurden Personalien und Sachverhalt aufgenommen, danach konnte der Täter gehen.

Gegenüber der taz kritisiert der Angegriffene, die umstehenden Personen hätten nicht eingegriffen, obwohl der Angriff eindeutig als rassistisch und gefährlich erkennbar gewesen sei. „Ungefähr 40 Leute standen da und haben nur geguckt. Ich habe gesagt: Nehmt das mit euren Handys auf, ruft die Polizei.“ Zwar habe einer die Polizei gerufen und ein anderer sei dazwischengegangen – „aber so, als sei ich mit schuld an der Situation“. Dabei seien die Beschimpfungen klar hörbar gewesen. „Dass die Passanten nichts getan haben, bestätigt einen rassistischen Konsens dieser Gesellschaft. Hätte mich der Mensch antisemitisch beschimpft, wäre es garantiert anders ausgegangen.“

Von der Polizei wurde der Weddinger nach seinen Angaben nicht über den „kleinen Opferschutz“ aufgeklärt. Diese Verfahrensweise bei Opfern rechter Gewalt hätte „verhindert, dass der Angreifer meine Anschrift über eine Gegenanzeige herausbekommt“. Außerdem kritisiert er, dass der Täter gehen durfte, obwohl er im selben Stadtteil wohne: „Ich bin extrem wütend und habe Angst, weil der Angreifer noch herumläuft. Er ist eine Gefahr für alle People of Colour.“

Nach Angaben eines Polizeisprechers ermittelt der Staatsschutz in dem Vorfall. Auch der Vorwurf, über den Opferschutz sei nicht aufgeklärt worden, werde geprüft. „Ein Haftgrund lag nicht vor“, so der Sprecher. „Wir haben seinen Wohnsitz, somit wird er nicht vorübergehend festgenommen.“ Die Polizei nehme rassistische Vorfälle „sehr ernst“. JUNE