Billig wohnen statt billig einkaufen

VOLKSENTSCHEID Eine Bebauung des Tempelhofer Felds befriedigt den steigenden Bedarf nach Wohnraum nicht, sagt der Bund für Umwelt und Naturschutz und schlägt vor, dass Discounter für Wohnungen weichen sollen

„Es gibt eine fatale Fixierung auf das Tempehofer Feld“

TILMANN HEUSER, BUND

VON SEBASTIAN HEISER

Der steigende Bedarf an Wohnraum lässt sich befriedigen, auch ohne das Tempelhofer Feld zu bebauen. Zu diesem Schluss kommt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der am Mittwoch konkrete Flächen für den Bau von 12.800 Wohnungen vorgeschlagen hat. Der Senat will auf dem Tempelhofer Feld den Bau von 4.700 Wohnungen erlauben. Die Entscheidung fällt am Sonntag beim Volksentscheid.

Es gebe eine „fatale Fixierung auf das Tempelhofer Feld“, kritisiert BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser. Den Gegnern der Bebauung des Feldes werde vom Senat vorgeworfen, sie wollten gar nichts verändern und seien immer gegen Bebauung. Um das zu widerlegen, legte der Bund für Umwelt und Naturschutz seine Vorschläge für Baustandorte vor.

Unter anderem sollen 13 Discounter abgerissen und durch Wohnungen ersetzt werden. Discounter hätten mit ihren eingeschossigen Gebäuden und den großen Parkplätzen einen zu großen Flächenverbrauch, erläuterte Heuser. An anderen Stellen sollen breite Straßen verschmälert werden, um Platz für Neubauten zu schaffen. Auch viele Brachflächen will der BUND bebauen.

Vor zwei Monaten hatte der Senat den Entwurf für den Stadtentwicklungsplan Wohnen vorgelegt. Darin wird prognostiziert, dass Berlin um 250.000 Bewohner wächst und bis zum Jahr 2025 daher 137.000 zusätzliche Wohnungen benötigt werden. In dem Plan lokalisiert der Senat Flächen für 220.000 neue Wohnungen.

Auch in diesem Senatsplan spielt das Tempelhofer Feld mit seinen 4.700 Wohnungen also eine eher untergeordnete Rolle. Zumindest von den reinen Zahlen her.

Der Senat weist aber auch darauf hin, dass die Wohnungen auf dem Tempelhofer Feld vergleichsweise zentral entstehen und dass es gerade auf den Neubau in solchen Lagen ankommt, wenn Geringverdiener nicht an den Rand der Stadt verdrängt werden sollen. Auch von den Flächen, die der BUND zusätzlich zu den Senatsflächen zur Bebauung vorschlägt, liegen nur 18 Prozent innerhalb des S-Bahn-Rings, 82 Prozent befinden sich außerhalb.

Wohnen wie in Hamburg

Ohnehin ist aber Neubau nicht die einzige Lösungsmöglichkeit, meint der Bund für Umwelt und Naturschutz. Auch der Ausbau von Wohnungen – etwa in Dachgeschossen – sei wichtig und könne einen erheblichen Teil der steigenden Nachfrage decken. Derzeit entstehe jede fünfte neue Wohnung durch Ausbau.

Alternativ ließe sich das Wohnungsproblem auch lösen, wenn die Berliner sich auf die in anderen Städten üblichen Wohnungsgrößen beschränken würden. Während sich hier jeder im Schnitt 38 Quadratmeter gönnt, brauchen die Münchner einen Quadratmeter weniger, die Frankfurter knapp 2 Quadratmeter weniger und die Hamburger sogar 2,3 Quadratmeter weniger. Würden die Berliner im Schnitt genauso wohnen wie die Hamburger, wären auf einen Schlag Wohnungen für 220.000 Menschen frei. Der BUND lehnt allerdings jede Form von Druck oder Zwang, um den Wohnflächenverbrauch pro Person zu reduzieren, strikt ab.