Komplexe Tortour

NEOLIBERALISMUS Ab diesem Samstag können Interessierte die erste „privatisierungskritische Stadttour“ mit acht Stationen erleben

Diese Stadtführung ist wie eine Public-private-Partnership: Sie hält nicht ganz, was sie verspricht. Auf der zweieinhalb Stunden dauernden Tour „Wem gehört Berlin?“ wollen Attac und andere ab diesem Samstag alle zwei Wochen über die realen negativen Auswirkungen von komplexen Privatisierungen aufklären. Und sind dabei selbst unnötig komplex. In dem Eifer, das große Ganze zu erklären, bleiben konkrete Einsichten oft aus.

Auf acht Stationen in Berlin-Mitte, vom Finanzministerium über den Bahn-Turm bis hin zum Reichstagsufer, versuchen die Veranstalter, die verworrene Liaison zwischen Staat und privatem Sektor zu beleuchten. Die Stadtführung will zeigen: Das Ergebnis dieser neoliberalen Wende zur Privatisierung vormals öffentlicher Betriebe ist ein Desaster. „Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor sind oft nicht nur politisch falsch, sondern auch unwirtschaftlich“, sagt André Lundt, einer der Stadtführer.

Viel Energie verbraucht die Tour durch das Herz Berlins dafür, die Anfänge der Privatisierungswelle zu erklären. Dabei werden den Besuchern die Schreckensbilanz der Treuhandanstalt und Margaret Thatchers Privatisierungswahn vor Augen gehalten, verwirrenderweise jedoch zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten.

Das Scheitern der Bahnprivatisierung wird in aller Ausführlichkeit dargestellt, BVG und S-Bahn handelt man nur im Nebensatz ab. Ausführlicher auf ein Berliner Gemeingut geht die Tour nur beim Thema Wasser ein. In mehr als zwei Stunden werden die Teilnehmenden von einer Informationsflut überrollt und erfahren dennoch mehr über Bundes- als Stadtbelange.

Laut Angaben der Organisatoren soll die Tour auch Schulklassen schmackhaft gemacht werden. Die Schüler werden den trockenen Stoff in dieser Form nur widerwillig aufnehmen. Zu vortragslastig ist die Tour.

Ein interaktives Moment gibt es dann aber doch: Gegen Ende Ende müssen die Teilnehmer ein Puzzle lösen. Es zeigt die Elbphilharmonie. Mit Berlin hat auch die jedoch bekanntlich wenig zu tun. Die Stadttour wolle argumentieren, nicht nur erklären, erläutert Lundt. Stellenweise erklärt und verspricht sie aber zu viel. MATTHIAS BOLSINGER

■ Stadttour „Wem gehört Berlin“, jeden 2. und 4. Samstag im Monat, 14 Uhr ab Zietenplatz (U-Bhf. Mohrenstraße). 10, ermäßigt 6 Euro www.gemeingut.org