Heute leider kein Asyl

FLÜCHTLINGE I Berlin schließt seine Erstaufnahmestelle – mindestens bis Montag. Asylbewerber sollen sich privat um Unterbringung kümmern, sagt der Senat

„Hier werden Menschenrechte außer Kraft gesetzt“

NORA BREZGER VOM FLÜCHTLINGSRAT

VON MALENE GÜRGEN

AsylbewerberInnen haben ein Recht auf Unterbringung – in Berlin stehen Neuankömmlinge jetzt auf der Straße. Am Mittwoch gab Sozialsenator Mario Czaja (CDU) bekannt, dass die Zentrale Erstaufnahmestelle in der Moabiter Turmstraße bis mindestens Montag geschlossen bleibt. Begründung: In den letzten beiden Tagen habe es rund 1.000 Vorsprachen gegeben, davon 200 Erstanträge. Diesem Ansturm sei das für die Unterbringung der Menschen zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) nicht gewachsen. „Um mit der Bearbeitung der Anträge hinterherzukommen, ist die Schließung erforderlich“, sagte Czaja.

Nicht nur die Überlastung des LaGeSo ist laut Czaja ein Problem. Auch sei die Weitervermittlung der Flüchtlinge in andere Bundesländer sei schwierig, „da die dortigen Stellen ebenfalls am Rande ihrer Kapazitäten arbeiten“, so der Senator. Des Weiteren habe Berlin große Probleme, Unterkünfte für AsylbewerberInnen bereitzustellen. Bisher hatte Czaja betont, Berlin werde anders als andere Bundesländer nicht auf Wohncontainer oder Turnhallen zurückgreifen. Das soll sich offenbar ändern. 2.000 Plätze will der Sozialsenator durch die Aufstellung von sechs bis acht „Containerdörfern“ noch in diesem Jahr schaffen.

Laut Czaja haben in den letzten beiden Tagen so viele Menschen bei der Erstaufnahmestelle vorgesprochen wie zuletzt in einem Monat. Auch die Zahl der Asylanträge steigt deutlich: Während 2012 rund 3.500 Anträge gestellt werden, waren es 2013 gut 6.000. 2014 gab es bisher 6.148 Anträge auf Asyl, insgesamt wird mit über 10.000 gerechnet.

Wer in den nächsten Tagen vor den verschlossenen Türen der Erstaufnahmeeinrichtung steht, hat keine alternative behördliche Stelle, an die er sich wenden könnte. Czaja verwies zwecks Schlafplatzsuche auf karitative Organisationen – und auf Unterstützung durch Einzelpersonen.

Mit Blick auf die ehemaligen Oranienplatz-BesetzerInnen sagte Czaja, es sei ihm unverständlich, dass Berlin über Flüchtlinge diskutiere, die in anderen Bundesländern registriert seien. Damit widersprach er der Integrationsbeauftragten Monika Lüke, die den Oranienplatz-Flüchtlingen am Mittwoch riet, weiterhin vor Gericht um ihren Aufenthalt zu kämpfen.

„Der Fehler ist schon vor Jahren gemacht worden, als der Senat die Prognosen zu steigenden Asylbewerberzahlen ignorierte“, sagte Fabio Reinhardt, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piraten. Die Bemühungen des Senats, ausreichend Unterkünfte bereitzustellen, seien „überschaubar“. Statt Container aufzustellen, solle der Senat die Unterbringung der Flüchtlinge in Wohnungen vorantreiben – dies sei auf Dauer auch billiger.

Der Flüchtlingsrat Berlin kritisierte die vorläufige Schließung der Erstaufnahme scharf. „Hier werden Menschenrechte außer Kraft gesetzt“, sagte Mitarbeiterin Nora Brezger. Sie sei „schockiert über das skrupellose Vorgehen des Sozialsenators“.

Czaja nutzte die Ankündigung der Schließung für eine Kritik am Bund: Dieser müsse den Ländern mehr Geld für die Unterbringung von AsylbewerberInnen zu Verfügung stellen.