Nächtliche Pantomime: Stumm gegen den Lärm

MUSIK Konflikte zwischen Clubs und Anwohnern sollen entschärft werden – auf kreativem Weg

Um eine Eskalation zu vermeiden, sollte man frühzeitig mit allen Beteiligten sprechen

Der schwarz gekleidete Mann winkt fröhlich über die Straße. Sein Gesicht ist weiß geschminkt. Galant bietet er den Arm zur Begleitung und legt dann den Finger auf die Lippen. Die Absätze meiner Schuhe machen zu viel Lärm. Er zeigt auf die umliegenden Häuser. Ach so, das stört die Nachbarn. Ohne ein Wort zu verlieren, bringt er mich zur Tür. Wo der nächste Schwarzgekleidete nun ebenfalls den Finger auf die Lippen legt. Selbst wenn klar ist, dass hier, am Direktorenhaus nahe der Jannowitzbrücke, nicht wirklich Anwohner gestört werden, bleibt doch etwas von den freundlichen Ermahnungen hängen. Ich schleiche die Treppe hinauf.

Pantomimen, die für Ruhe sorgen, sollen im nächtlichen Straßenbild demnächst öfters auftauchen, kündigt der Sprecher der Club Commission, Lutz Leichsenring, kurz darauf an. Das Musicboard, das vom Senat zur Förderung des Pop eingerichtet wurde, hat am Dienstag gemeinsam mit dem Clubverband zu einem Gespräch über „Pop im Kiez“ geladen. Auch die Schwarzgekleideten könnten dazu beitragen, dass Clubs und Anwohner sich nicht in die Quere kommen: „An neuralgischen Punkten wie der Warschauer Brücke und dem Schlesischen Tor wollen wir mit Pantomimen arbeiten“, sagt Leichsenring. In Paris, Barcelona und Genf habe sich das bewährt.

Hintergrund ist die Angst vor der Verdrängung von Clubs aus der Innenstadt. In Prenzlauer Berg kamen mit den Zugezogenen auch die Klagen gegen Lärm. Läden wie der Knaack Club und das Icon mussten schließen. Auch derzeit gebe es drei bis vier Clubs in verschiedenen Bezirken, die mit dem Problem zu tun hätten, sagt Katja Lucker, Leiterin des Musicboards. Welche, könne sie nicht sagen – die Betroffenen wollten nicht genannt werden.

Club Commission und Musicboard sind sich einig: Damit ein Konflikt gar nicht erst eskaliert, sollte man frühzeitig mit allen Beteiligten sprechen. „Wir wollen auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“, sagt Leichsenring. Katja Lucker moderiert in solchen Fällen. Die Club Commission bietet Beratungen an. Über rechtliche Rahmenbedingungen, aber auch ganz konkret: So empfiehlt der Verband etwa Fenster, die gleichzeitig lüften und Schall isolieren. „Wir wollen Gespräche anregen zwischen Bauherren und Behörden“, so Leichsenring.

Wie Prävention auch aussehen kann, lässt sich an der Heinrich-Heine-Straße nahe des Sage Clubs besichtigen: Dort warnt ein Schild alle zukünftigen Nachbarn. „Hier existiert seit Jahrzehnten Berliner Clubkultur! Wir bitten um Rücksicht bei Ihren Eigentumswohnungs-Bauvorhaben.“ ANTJE LANG-LENDORFF