Im Sonderzug nach Frankfurt

BEWEGUNG Mehr als tausend Berliner AktivistInnen wollen zu den Protesten gegen die EZB-Eröffnung an den Main fahren – das Blockupy-Bündnis ist in der Stadt gut verankert

„Wir hoffen wirklich sehr, dass es alle rechtzeitig schaffen“

SEBASTIAN DREWLO, BLOCKUPY

VON MALENE GÜRGEN

Für den ein oder anderen Aktivisten auf dem Weg zu den Frankfurter Blockupy-Protesten wartet die erste Herausforderung schon am Dienstagnachmittag: Um Punkt 15.52 Uhr wird der eigens gecharterte Sonderzug am Ostbahnhof abfahren – die in der linken Szene oft eher laxe Einstellung zum Thema Pünktlichkeit ist hier fehl am Platz. „Wir hoffen wirklich sehr, dass es alle rechtzeitig schaffen werden, der Zug kann auf keinen Fall warten“, sagt Blockupy-Sprecher Sebastian Drewlo.

Aktionstage unter dem Namen Blockupy, die sich gegen die europäische Austeritäts- und Krisenpolitik wenden, gab es in Frankfurt schon 2012 und 2013. Doch noch nie war die Zahl der aus Berlin Anreisenden so groß wie zu den Protesten am Mittwoch, die den vorläufigen Abschluss der Blockupy-Kampagne bilden und die Eröffnungsfeier des neuen Hauptquartiers der Europäischen Zentralbank (EZB) verhindern sollen. Der Sonder-IC mit knapp 900 Plätzen ist schon seit Tagen ausverkauft, drei Busse wurden bisher zusätzlich geordert. „Wir sind schon ziemlich euphorisch, mit einem solchen Andrang hatten wir nicht gerechnet“, sagt Drewlo.

Das Blockupy-Bündnis, zu denen die Linkspartei, Attac, Gewerkschaften sowie linksradikale Organisationen wie die Interventionistische Linke und das Bündnis „Ums Ganze“ zählen, ist in Berlin gut verankert: 2012 wurde die „Blockupy Plattform Berlin“ gegründet, aus der verschiedene lokale Aktionen wie etwa die Unterstützung von Streiks bei H&M und an der Charité entstanden, wenn auch mit unterschiedlich großer öffentlicher Wahrnehmung. In den letzten Monaten habe sich die Plattform wöchentlich getroffen, um sich auf Frankfurt vorzubereiten, sagt Drewlo. Unter den Aktiven seien auch viele griechische und spanische Berliner. „Diese transnationale Vernetzung ist uns bei Blockupy wichtig, schließlich protestieren wir gegen eine Verarmungspolitik, unter der vor allem die Menschen in den südeuropäischen Ländern leiden.“

Ob unter den Mitreisenden im Sonderzug auch Polizeibeamte sein werden, ist laut Drewlo bisher nicht bekannt. „Wir bereiten uns auf verschiedene Szenarien vor.“ Die Berliner Polizei verweist dazu auf Anfrage an die Bundespolizei, diese will sich aber „aus einsatztaktischen Gründen“ nicht äußern. Auch, ob andere Fahrgäste am Ostbahnhof mit Behinderungen durch Absperrungen zu rechnen haben, lässt der Polizeisprecher offen. Dass der Zug über Stunden festgehalten wird, wie bei der Anreise zu vergangenen Blockupy-Protesten mit den Berliner Bussen geschehen, hält Drewlo aber für unwahrscheinlich: „Es werden ja auch viele Pressevertreter und Abgeordnete mitfahren, davon erhoffen wir uns schon einen gewissen Schutz.“

Diese Hoffnung scheint nicht unbegründet: „Ich hoffe, dass ich durch meine Funktion als Bundestagsabgeordnete dazu beitragen kann, dass die Reise nach Frankfurt ohne Übergriffe und Provokationen seitens der Behörden erfolgt“, sagt etwa die Bundestagsabgeordnete Azize Tank (Linke). „Wenn es zu Konflikten kommen sollte, möchte ich als Vermittlerin die Situation entschärfen und die Polizei zur Deeskalation bewegen.“

Ob mit Kontrollen oder ohne: Damit die Fahrt nicht zu langweilig wird, gibt es ein eigenes Veranstaltungsabteil, in dem Workshops etwa zur Situation der von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule oder zur Lage in Griechenland stattfinden sollen. Auch eine „Blockupy-Sonderzug-Chorprobe“ ist geplant. Auf der Rückfahrt am späten Mittwochabend wird dieser Waggon dann zum Party-Abteil mit Konzerten und DJs – so zumindest die bisherige Planung.