Sally Hawkins in "Happy-Go-Lucky": Hey, Pippi Netzstrumpf!

Mike Leigh, Sozialfilmer des "New British Cinema", verordnet Poppy, der Protagonistin seiner Komödie "Happy-Go-Lucky", bunte Outfits und Optimismus.

Gerne grell: Poppy (Sally Hawkins) in orangefarbenem Pelz

Sie ist viel zu grell gekleidet, ordinär fast, mit ihren Raubtierstiefeln und den quietschblauen Netzstrumpfhosen. Zu laut ist sie auch, aufdringlich und taktlos. Und gerade deswegen ist diese Poppy (Sally Hawkins) so wunderbar. Ein Geschenk für jeden, der sie trifft - auch wenn das längst nicht alle, die sie treffen, wahrhaben wollen.

Poppy ist 30 und Grundschullehrerin im Norden Londons. Sie liebt ihren Job, und ihre Schüler lieben sie. Zusammen basteln sie Vogelmasken und flattern kostümiert durchs Klassenzimmer. In ihrer Freizeit geht sie mit ihren Freundinnen aus, trinkt zu viel - und lacht, lacht, lacht. Es ist kein naives Gekicher, sondern gelöstes Gelächter, getragen von dem Entschluss, sich vom Leben nicht die Orangenmarmelade vom Brot nehmen zu lassen. Das überlässt Poppy den anderen, zum Beispiel ihrem Fahrlehrer Scott (Eddie Marsan).

Dieser zutiefst unglückliche Misanthrop verkörpert das Gegenstück zum schier grenzenlosen Optimismus Poppys. "Warum kannst du nicht endlich mal erwachsen werden?", blafft er sie an. Sie denkt gar nicht dran und macht weiter Witze, über die er nicht lachen kann.

Wie sehr Mike Leigh, als Protagonist des "New British Cinema" sonst eher auf Sozialdramen abonniert als auf schrille Komödien, diese Poppy liebt, offenbart schon der Vorspann: Poppy radelt durch London - aber nicht zügig wie gestresste Erwachsene, sondern bummelnd wie eine Achtjährige: Sie fährt Schlangenlinien, erhebt sich vom Sattel und lässt ihr Klapprad den Hang hinabrollen. Auch die Eile überlässt Poppy den anderen.

Die Konfrontation mit Scott und ihrer jüngeren, sehr viel erwachseneren Schwester zwingt Poppy immer wieder, ihren Lebensentwurf, der keiner ist, zu überprüfen - ihr Leben zu ändern, kommt jedoch nicht wirklich in Frage. Was wäre die Alternative? Lebendig begraben in einem Häuschen im Grünen, mit einem langweiligen Ehemann? Poppy verzichtet dankend.

Mike Leigh erinnert sein Publikum mit "Happy-Go-Lucky" daran, dass es häufig viel erwachsener ist, nicht immer so erwachsen zu tun. Wer verkrampft, hat schon verloren. Poppy ist ein bisschen so wie Pippi Langstrumpf, eine Frau, die sich von gesellschaftlichen Zwängen befreit hat. Doch im Gegensatz zu Astrid Lindgrens Kinderbuchfigur ist Mike Leighs Filmfigur nicht so bemüht pädagogisch. Und diese Leichtigkeit steht "Happy-Go-Lucky" mindestens so gut wie Poppy ihre kunterbunten Klamotten.

DAVID DENK

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