IM WETTBEWERB LÄUFT „NA PUTU“ (ON THE PATH) DER REGISSEURIN JASMILA ŽBANIĆ
: Blockaden, Barrieren und Spiegel

Luna lächelt leise und denkt zurück an zu Hause. Der Sex war wieder super, Luna liebt Amar und Amar liebt Luna. Luna ist Stewardess, und ihr Mann arbeitet als Fluglotse. Bis er sich um seinen Job trinkt. „On the Path“ ist der zweite Spielfilm von Jasmila Žbanić, die 2006 mit „Esmas Geheimnis“ den goldenen Bären gewann. Wiederum spielt die Geschichte im Sarajevo der Jetztzeit, der Krieg ist weiter in die Ferne gerückt, die Kriegstraumata grundieren gleichwohl den Alltag. Alkoholismus ist ein Symptom davon, der um sich greifende Islamismus als Alternative zur individuellen Selbstzerstörung ein weiteres.

Žbanić ist wie ihre beiden Hauptfiguren Muslimin. Die heute 36-Jährige wuchs in Sarajevo auf, erlebte dort den Krieg, studierte anschließend an der Kunstakademie.

Vom Hedonisten zum Islamisten

Bevor sie ihre ersten Dokumentarfilme drehte, trat sie als Puppenspielerin und Clown auf. 1997 gründete sie ihre eigene Produktionsfirma: „Deblokada“ – die Blockade auflösen. Ihre beiden Spielfilme drehten sich bislang um die große Frage: Wie liebt man, wenn man Krieg erlebt hat? Wie liebt man als Frau, wie als Mutter? Wie als Mann?

Väter spielen bei Žbanić keine tragende Rolle. Und auch in ihrem neuen Film kommt die männliche Hauptfigur, die gern Vater würde, allerdings recht inaktive Spermien besitzt, ein wenig zu kurz. Dabei lohnte Amar die Aufmerksamkeit. Er nämlich wandelt sich vom Hedonisten zum Islamisten. Wie geht so etwas? Wir erfahren es nicht. Der Film behauptet die rasante Passage hin zum prüden Bartträger eher, als dass er sie begleitet. Die Kamera klebt zwar an den Figuren und archiviert die Oberflächen, aber was sie im Inneren bewegt, bleibt offen. Wir sind ganz nahe an ihrer Haut, an ihrem Make-up, an ihren Kleidern und Schmuckstücken, an ihrer Bettwäsche, ein Close-up folgt dem nächsten.

Die sich in ihrem Körper offensichtlich aufgehoben fühlende Luna empfindet die Frauen in der schwarzen Ganzkörperumhüllung als offenen Angriff auf sich selbst, auf ihr Genießen. Ein Dialog ist ausgeschlossen. Und als dann auch Amar anfängt, ihr seinen Körper zu entziehen, wird ihr klar: Die Barrieren, die der radikale Islam um den Körper aufrichtet, seine Disziplinierung von Kreatürlichkeit, das ist für sie unerträglich. Liebe und Zusammenleben bedeuten für sie nämlich genau das Gegenteil: die Überschreitung von Körper- und Schamgrenzen. Das Bad, die Toilette teilt sie mit der geliebten Person ebenso selbstverständlich wie das Bett, das Auto und den Tisch. Das ging mit Amar, bis er dann zur Gemeinschaft der anderen überlief. „Komm du zu mir zurück!“, ruft sie ihm nach und geht weg. Žbanić sagte, sie wolle ihrer Gesellschaft einen Spiegel vorhalten, vor allem Fragen aufwerfen, keine Antworten geben. Doch warum ihre Figuren die Fragen nicht diskutieren dürfen, erklärt sich nicht. Und so gerät der liebevoll gemachte Film ein wenig seicht. INES KAPPERT

■ Heute, 9.30 Uhr Friedrichstadtpalast, 20.00 Uhr Urania, 22.30 Uhr International