Berlinale Special: Angelina Jolies Regiedebut: Bosnien wirkt wie ausgewaschen

Zunächst erstaunlich stilsicher, dann ein Werbefilm für militärische Interventionen: der Jugoslawienkriegsfilm "In the Land of Blood and Honey" von Angelina Jolie.

Danijel und Alja: Eine Metapher für den Krieg der serbischen gegen die muslimischen Bosnier, der Männer gegen die Frauen. Bild: Berlinale

Am Anfang sieht man eine Frau und einen Mann, die in einer Bar tanzen. Danijel ist Polizist, Ajla Malerin. Er ist Serbe, sie Muslimin. Es ist der letzte Moment, in dem das keine Rolle spielt. Eine Bombe explodiert, die Bar liegt in Trümmern, der bosnische Krieg beginnt. Die Barszene ist wie eine Erinnerung an eine zivile Welt, die immer mehr ausbleicht.

Ajla (Zana Marjanovic) wird später von serbischer Soldateska in ein Lager deportiert, in dem Vergewaltigungen an der Tagesordnung sind. Der Kommandant ist Danijel (Goran Kostic), der sie vor den Brutalitäten, so gut es geht, schützt. Romeo und Julia im Foltercamp.

Kann man von Krieg, von Massenvergewaltigungen und Terror per Liebesgeschichte erzählen? Muss das nicht Kitsch und Kolportage werden? Der Film "In the Land of Blood and Honey" ist das Regiedebüt des Weltstars Angelina Jolie, die auch das Drehbuch schrieb. Ein Autorinnenfilm, wenn man so will. Jolie vermeidet den Absturz ins Triviale erstaunlich stilsicher.

Die Beziehung von Danijel und Alja (die eine Metapher für den Krieg der serbischen gegen die muslimischen Bosnier ist, der Männer gegen die Frauen, der Soldaten gegen Zivilisten) inszeniert sie als wortkarges, doppelbödiges Spiel, als Strudel von Ambivalenz. Ob Ajla Liebe oder reine Todesangst treibt oder beides, ob Danijel Zuneigung oder Macht beherrscht, ob sie Gefangene oder Geliebte ist, bleibt in der Schwebe. Mit kühlem Understatement entwickelt der Film eine jäh andere Lesart, in der die Rollen kippen, sie Jägerin und er Gejagter wird.

Krieg in matten Farben

Bosnien wirkt wie ausgewaschen. Der Schnee gleißend hell, sonst scheinen die Bilder abgedunkelt. Es ist ein Krieg in matten Farben. Ähnlich überlegt wie der Plot erscheinen die Gewaltinszenierungen, die Vergewaltigungen, die Schüsse auf die Passanten in Sarajevo, die von den serbischen Scharfschützen ins Visier genommen werden.

Man sieht Gräuel, doch der Schnitt folgt meist, wenn die offene Wunde, der zerfetzte Körper in den Blick kommen müsste. Selten rückt die Kamera nah heran. Einmal zeigt sie eine vergewaltigte Muslimin, die zerschundenen Beine, blaue Flecken, getrocknetes Blut. Es ist ein Blick der Empathie, der das Spektakel der Gewalt ausspart und die Folgen zeigt.

Die Serben sind die Täter, aber sie sind nicht monochrom gezeichnet. Es gibt zerrissene Figuren wie Danijel. Auch die Architekten des Terrors haben eine Geschichte, wenn auch mehr als hölzern vorgetragene. Etwa Danijels Vater, ein General, dessen Familie 1944 von Muslimen ausgelöscht wurde.

Jeder Mensch auf der Welt kennt Angelina Jolie. Sie ist Actionfilmstar, Sexsymbol, Teil des Hollywoodtraumpaars Pitt-Jolie, Mutter einer Großfamilie und in der UN-Flüchtlingsarbeit engagiert. Sie verbindet Trash, Glamour und Politik in einer Art, die es in Hollywood so noch nie gab. "In the Land of Blood and Honey" zeigt nun durch und durch ihre ernsthafte Seite. Es ist ein politischer Film, Ausdruck von Jolies humanitärem Engagement - und das ist für den Film fatal.

Die Botschaft ist überdeutlich

Die Botschaft, die überdeutlich zu nennen eine Untertreibung ist, lautet: Greift ein! Am Ende bombardieren US-Kampfjets endlich die Stellungen der serbischen Soldateska und machen dem Leiden der Zivilisten ein Ende. Man kann der Ansicht sein, dass UN und Nato das Morden früher hätten stoppen können und müssen.

Selbst wenn das so ist: Filme sind keine brauchbaren Gefäße für solche Botschaften. Der Geschmack von Agitprop dementiert am Ende sogar die offenen Erzählweise, das Zwiespältige, Verschattete. Auch das Ende, eine Überdosis von Tod und moralischer Katharsis, hat einen durchdringenden politpädagogischen Oberton.

"In the Land of Blood and Honey" ist ein labiles Gebilde aus Beziehungsdrama und politischer Metapher, Kammerspiel und Kriegsfilm. Aber am Ende ist er nur noch ein Ausrufezeichen, ein Werbefilm für militärische Interventionen. Bilder von getöteten Babys und geschundenen Frauen zählen zum Arsenal jeder Kriegspropaganda. Sie sind nicht unschuldig, auch hier nicht.

"In the Land of Blood and Honey". 11. 2., 20.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele; 12. 2., 18 Uhr, Cubix 8
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