Wille zur Reduktion

THRILLER In „Layla Fourie“ sieht sich die Titelheldin mit den Widersprüchen des heutigen Südafrika konfrontiert (Wettbewerb)

Mit starr nach vorn gerichteten Augen fixiert sie ein mit jeder Plotwendung in weitere Ferne rückendes Ziel

Bisher zeigt sich die Berlinale als Festival der zwar prägnanten, gelegentlich aber auch etwas arg eindimensionalen Frauenfiguren. Es ist oft so, als wollten die Filme die Frauen, wenn sie sie einmal im Griff haben, nicht mehr loslassen: Nach der ewig staksigen, gespenstisch-kühlen Emily in Thomas Arslans „Gold“ und der ewig nervösen, aber liebenswerten „Gloria“ bei Sebastián Lelio jetzt noch die ewig angespannte, überkontrollierte „Layla Fourie“ bei Pia Marais.

In der ersten Szene des Films unterzieht sich die titelgebende Protagonistin einem Lügendetektortest, lässt sich also in eine Maschine einspannen, die die Grenzen der menschlichen Selbstkontrolle zu kennen behauptet und aufzeichnet, was von dieser nicht zu bändigen ist. Bald darauf wendet sie das Gerät bei Arbeitssuchenden in einem Kasino an: ihr erster Auftrag für einen neuen Arbeitgeber, an dessen Gelingen – das merkt man bei jeder Bewegungen, bei jedem Wort – viel hängt. Ihren jungen Sohn Kane nimmt sie notgedrungen überallhin mit; auch auf jene fatale Autofahrt, die als Unfall mit Todesfolge endet.

Die ersten beiden Filme von Pia Marais – „Die Unerzogenen“ (2007) und „Im Alter von Ellen“ (2010) – waren geprägt von einer ambivalenten Offenheit: Mal begeisternd mutig, mal nahe an der Beliebigkeit stürzten sie sich ins Ungewisse. In „Layla Fourie“, ihrem dritten Film, der in ihrem Geburtsland Südafrika spielt, ist der Wille zu Reduktion und Konzentration allgegenwärtig. So arbeitet die Regisseurin mit einem kleinen Figurenensemble (u. a. mit dabei: ein etwas derangierter August Diehl als nicht mehr ganz so privilegierter Sohn einstmals privilegierter Eltern), wenigen Schauplätzen und einer vermeintlich simplen moralischen Ausgangssituation; zuvörderst aber konzentriert sie sich aber auf die eindrückliche Hauptdarstellerin (Rayna Campbell), an der – und insbesondere an deren Profil – die Kamera regelrecht klebt: Mit starr nach vorn gerichteten Augen, die ein mit jeder Plotwendung in weitere Ferne rückendes Ziel fixieren, eilt diese durch den Film.

Ihre Layla Fourie, alleinerziehende Mutter und junge schwarze Frau in einer nach wie vor sexistisch und rassistisch strukturierten Arbeitswelt, manövriert sich dabei zwangsläufig in immer neue Zwickmühlen; Zwickmühlen, die einerseits als Versuch erkennbar sind, einige Widersprüche des gegenwärtigen Südafrika in einer Geschichte greifbar zu machen. Andererseits aber sind diese Widersprüche mit der binären Logik der Lügendetektoren nicht zu fassen. So kommt am Ende doch nicht viel mehr heraus als ein etwas wirrer Thriller, bei dem man sich nicht immer sicher ist, was als absichtsvolle Irritation gedacht und was einfach nur schlecht konstruiert ist.

LUKAS FOERSTER

■ Heute, Friedrichstadt-Palast, 15 Uhr; Haus der Berliner Festspiele, 20.30; 15. 2., Neues Off, 21.30 Uhr