Blutspur auf Parkett

WETTBEWERB „Side Effects“, Steven Soderberghs angeblich letzter Film, durchwandert mit fast arroganter Brillanz eine ganze Reihe von Genre-Standards

Geölte Genremodule verschalten sich auf der Folie eines relevanten Themas: smartes Kino, das im Grunde jede Reaktion vorab berechnet haben will

Wenn ein Film schon „Nebenwirkungen“ („Side Effects“ übersetzt) heißt, ist man als Zuschauer naturgemäß besonders skeptisch, wenn dann darin ein Arzt die Effizienz eines Psychopharmakas preist. Der adrette Dr. Banks (Jude Law) macht aber eigentlich einen recht besonnenen Eindruck, als er seiner neuen Patientin Emily Taylor (Rooney Mara) ein buntes Set geeigneter Antidepressiva vorstellt. Da werden wir schon was Passendes für Sie finden, Ihre Stimmung ist nun meine Sorge.

Die junge Frau scheint suizidal zu sein. Erst fährt sie mit dem Auto gegen eine Parkhauswand, dann kann nur ein Polizist gerade noch verhindern, dass sie sich vor eine U-Bahn wirft. Dabei müsste Emily eigentlich glücklich sein. Ihr Ehemann Martin (Channing Tatum) hat gerade eine vierjährige Haftstrafe wegen Insidergeschäften abgebüßt und ist mehr als gewillt, den alten Lebensstandard wieder herzustellen. Gerade in jüngster Zeit treffen Wall-Street-Leute im Knast ja vermehrt Branchenkollegen, mit denen sich Comeback-Deals für die Zeit in Freiheit vorverabreden lassen.

Soderberghs angeblich letzter Film – der Regisseur hat jüngst seinen Rücktritt vom Filmgeschäft erklärt und Interesse an den älteren Medien Buch und Theater angemeldet – beginnt jedoch mit einer rätselhaften Blutspur auf edlem Holzboden. Ein weiterer Grund, dem Genesungsprozess von Emily Taylor nicht allzu weit über den Weg zu trauen, sind Schlafwandelanfälle, die ihrem Gatten mitten in der Nacht einen gedeckten Frühstückstisch bescheren. Und was genau führt eigentlich die untertemperierte Psychiaterin Dr. Sieberts (Cathrin Zeta-Jones) im Schilde?

„Side Effects“ fängt mit einer privaten Psychogeschichte an, weitet sich im zweiten Akt zu einem Corporate Thriller, der die Pharmaindustrie ins Visier nimmt, und landet dann aber wieder woanders. Wo, sollte man nicht verraten, weil der vergnügliche Aspekt dieses Films in der fast schon arroganten Brillanz liegt, in der hier Genremechanik exekutiert wird.

Soderberghs eigene Idee von Mainstreamkino findet sich in „Side Effects“ noch einmal mit klinischer Präzision durchgeführt. Kalkulierte Zuschauerlenkung trifft auf gesellschaftskritische Anmutung; geölte Genremodule verschalten sich auf der Folie eines relevanten Themas (das am Ende vielleicht sogar etwas verschenkt wird). Darum aber ging es Soderbergh von Anfang an: smartes Kino, das im Grunde jede Reaktion vorab berechnet haben will.

SIMON ROTHÖHLER

■ Heute, Friedrichstadt-Palast, 12 Uhr; Haus der Berliner Festspiele, 19 Uhr; 16. 2., Friedrichstadt-Palast, 20.30 Uhr; 17. 2., Friedrichstadt-Palast, 23 Uhr