Viel Freiheit im Taxi

GUERILLA-FILM Trotz Berufsverbot zeigt Jafar Panahi wieder einen neuen Film, diesmal eine Komödie (Wettbewerb)

Ein Meisterwerk von abgründiger Großzügigkeit: Die Zensoren sollten vor Scham im Boden versinken

VON EKKEHARD KNÖRER

Vor fünf Jahren hat der iranische Staat Jafar Panahi, einen der bedeutendsten Filmemacher des Landes, seiner Freiheit beraubt, Filme zu machen. Seitdem nimmt er sie sich. Ohne finanzielle oder sonstige Unterstützung im Land, ohne Genehmigungen einzuholen: der international gefeierte Regisseur als in die Illegalität gedrängter Untergrundkünstler. Zwar hat der Staat gegen die heimlich gedrehten und noch heimlicher aus dem Land geschmuggelten Filme protestiert, zugleich hat er die eklatanten Verstöße gegen das Berufsverbot doch geduldet. Auch wegen „Taxi“ hat die Berlinale im Vorfeld wieder eine offizielle Empörungsnote erhalten – was natürlich erst recht ein Grund ist, den Film wie den Vorgänger „Pardé“ prominent im Wettbewerb zu platzieren.

In allen drei bisher so entstandenen Filmen hat Panahi die Situation ihrer Entstehung ausdrücklich thematisiert. Die beiden ersten waren von Bitterkeit und Verzweiflung nicht frei. In „Taxi“ jedoch findet er völlig überraschend einen anderen Ton: den der Komödie, die vorführt, wie viel Freiheit ins Innere eines Taxis passt. Am Steuer des Wagens sitzt Jafar Panahi, der keinen anderen spielt als sich selbst. Die Kamera, am Armaturenbrett angebracht, blickt mal nach draußen und vermittelt Eindrücke aus dem Alltag in Teherans Straßen und Gassen. Genauso aber blickt sie nach innen, wohin Panahi, wenn er als Regisseur in die Welt schon nicht mehr hinausdarf, die Welt also einlädt.

Und so ist „Taxi“ nicht weniger als ein großes Welttheater im Kleinen. Selbstironisch und leicht, dass man’s kaum glaubt. Zugleich zu allem entschlossen, zu einer Abrechnung mit den absurden Zensurvorschriften nicht zuletzt. Sie sind nun aus dem Mund eines Mädchens zu hören (Panahis Nichte im Film), das die Regeln der Filmlehrerin zitiert. Umstandslos werden sie widerlegt und durch die Spielhandlung ad absurdum geführt. Bewundernswert, wie Panahi hier und in vielen anderen Szenen zugleich zutiefst realistisch und ausgefuchst metafiktional und selbstreflexiv erzählt. Das sind die beiden großen Traditionen des iranischen Kinos: So wie Panahi in „Taxi“, mit einer solchen Souveränität und Leichtigkeit, hat sie bislang noch keiner verbunden.

Einer der ersten Gäste im Taxi ist ein illegaler DVD-Straßenverkäufer. Er erkennt Panahi sofort, sie geraten ins Fachgespräch über die im Land verbotenen Filme von Woody Allen bis Nuri Bilge Ceylan, die aber auf den Straßen Irans jeder erhält, der sie nur sucht. Wir sind doch im selben Geschäft, sagt der Mann zu Panahi und versucht prompt, ihn auch offiziell zum Partner zu machen: Mit dem Star-Regisseur als Gewährsmann liefen die Verkäufe gleich noch viel besser. Es kommt nicht dazu, aber um Solidarität mit den Rechtlosen, den von Zensur und Strafe Bedrohten, geht es in fast allen Momenten des Films. Die Todesstrafe ist Thema, die Kluft zwischen Armen und Reichen. Panahi ist, allen Verboten zum Trotz, nach wie vor privilegiert – und nutzt seine Position im Limbo der Rechtlosigkeit dazu, aus dem Leben auch der anderen zu berichten.

Gegen Ende besteigt eine Anwältin mit einem Strauß Rosen den von Taxifahrer Panahi gesteuerten Wagen. Eine Mandantin ist im Hungerstreik, sie selbst bekommt demnächst wohl auch Berufsverbot. Es scheint sie nicht zu verdrießen. Sie hinterlässt eine Rose auf dem Armaturenbrett: Eine Geste der Liebe für die Zuschauer im Kino, sagt sie.

■ 7. 2., Friedrichstadt-Palast, 9.30 Uhr und 18 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, 12.30 Uhr