Forscher protestiert gegen Bildungsminister

GESCHICHTE Der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder wirft den Bundesländern vor, Schülerbefragungen zum historischen Wissen zu blockieren. Die äußern Zweifel an Arbeitsweise des Forschungsverbundes

BERLIN taz | Mit Extremismus kennt sich Klaus Schroeder bestens aus. Die Einladung des sächsischen Untersuchungsausschusses zum Nationalsozialistischen Untergrund, seinen Sachverstand einzubringen, kam der Politikwissenschaftler trotzdem nicht nach. Er lehnte ab – und das medienwirksam: „Ich habe die Bühne genutzt“, sagt er.

Knapp einen Monat vor der Veröffentlichung seiner aktuellen Studie (siehe oben) begründete Schroeder seine Absage: Die Landesregierung habe in der Vergangenheit mehrfach abgelehnt, seine Schülerumfragen zu unterstützen. Er habe den Eindruck gewonnen, „der sächsischen Regierung war nicht sehr daran gelegen, hierüber Genaueres zu erfahren“, schrieb Schroeder.

„Nehmt doch eure eigenen Wissenschaftler“, so schimpft er auch knapp zwei Monate später. Er geht nicht davon aus, dass Sachsen auf seine Protestaktion reagiert. Die Verantwortlichen seien stur – und kehrten alles unter den Teppich.

Schroeders Erfahrungen ähneln denen vieler Pisaforscher: Immer wenn’s unbequeme Ergebnisse gibt, gehen die Kultusminister in Deckung – oder behindern gleich das Anfertigen von Schülerstudien. So hatte der „Forschungsverbund SED-Staat“ gebeten, in Sachsen eine Schülerbefragung zu deren Perspektive auf die ehemalige DDR zu unterstützen. Die Landesregierung lehnte ab. Die Schüler seien bereits in viele Kompetenztests und Umfragen eingebunden, sagte die sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth (parteilos). Deswegen habe man sie nicht zusätzlich belasten wollen.

Auch Brandenburg hatte seine Schüler einst vor Schroeders Fragebögen in Schutz genommen. Anders als Sachsen führte Bildungsministerin Martina Münch (SPD) allerdings methodische Schwächen der Schülerstudie als Grund für die Absage an. Das Bundesland hatte zusammen mit Berlin an Schroeders DDR-Bild-Studie teilgenommen – und 2007 schlechte Ergebnisse kassiert. Geschichtsdidaktiker Bodo von Borries hatte anschließend im Auftrag der Berliner Bildungsverwaltung die Studie überprüft – und für lückenhaft befunden. Bei der Folgestudie beteiligte Berlin sich ebenfalls nicht mehr.

„Das ist eine Behelfslüge“, kommentiert Schroeder die Absage und ihre Begründung. Schließlich habe er allen Ländern die Möglichkeit gegeben, mit einem Beirat die Studie zu begleiten und die Methodik zu überprüfen und mitzugestalten.

In Nordrhein-Westfalen, das zusammen mit Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu den teilnehmenden Ländern gehört, habe es allerdings im Vorfeld auch Kritik gegeben. „Gerade die durchaus vorhandenen Bedenken formaler, inhaltlicher und methodischer Art bezüglich des eingereichten Projektentwurfs führten zu der Entscheidung, nicht die Gesamtstudie, sondern lediglich die methodisch wie zeitlich von dieser abweichende Längsschnittanalyse zu fördern“, schreibt ein Sprecher der Familienministerin Ute Schäfer (SPD). Nordrhein-westfälische Schüler schnitten bei der Gesamtstudie am schlechtesten ab.

„Das ist es, was mich am meisten ärgert“, sagt Politikwissenschaftler Schroeder, „die Verleumdung.“ Hinter der Methodenkritik stünde bei seinen Kritikern nur die Angst, durch unliebsame Resultate die DDR in ein schlechtes Licht zu rücken – und mit ihr den Sozialismus.

Der Vorsitzende des sächsischen Untersuchungsausschusses, Patrick Schreiber (CDU), findet Schroeders Absage „erstaunlich“. Der Professor sei schließlich eingeladen worden, um den Landtag zu beraten. Und dieser war – anders als die Regierung – an der Entscheidung zur Schülerbefragung gar nicht beteiligt.

KRISTIANA LUDWIG