NRW-Wissenschaftministerin über Unis: „Hochschulen sollen autonom bleiben“

Es hagelt Kritik am neuen Hochschulgesetz in NRW. Die Wissenschaftsministerin erklärt, warum Geheimverträge mit Firmen und eine Asten-Finanzaufsicht sinnvoll sind.

„Wenn man in die Küche geht, dann weiß man, es kann auch heiß werden.“ Bild: dpa

taz: Frau Schulze, sind Sie ein Kontrollfreak?

Svenja Schulze: Überhaupt nicht. Ich kann sehr gut Ziele setzen und Leute selber machen lassen.

Ihre Kritiker werfen Ihnen das Gegenteil vor: mit dem neuen Hochschulgesetz wollten Sie die Hochschulen an die Kandare nehmen. Wieso schätzen die Sie so falsch ein?

Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung in Nordrhein-Westfalen ist bei den Hochschulen weiter gegangen als alle anderen Bundesländer. Die Hochschulen wurden in Körperschaften öffentlichen Rechts umgewandelt und abgekoppelt von der öffentlichen Verwaltung. Es gibt nur noch eine Rechtsaufsicht.

Und deshalb machen Sie die Hochschulen gleich zu Unterbehörden Ihres Ministeriums?

Auf keinen Fall.

Aber Sie wollen wieder Verwaltungsvorschriften einführen, genannt Rahmenvorgaben.

So etwas ist auch in den anderen Bundesländern üblich.

50, ist seit einem Jahr Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Bis 2017 war die gebürtige Düsseldorferin Wissenschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen und danach dort SPD-Generalsekretärin.

Außerdem eine Landesentwicklungsplanung.

Die ist notwendig. Das Parlament genehmigt Geld, ist aber ansonsten außen vor. Wir wollen das Parlament in die Hochschulentwicklung mit einbeziehen. Das jetzige Gesetz geht davon aus: Wenn jede Hochschule für sich plant, kommt am Ende das Landesinteresse raus. Kommt es aber nicht automatisch.

Nicht?

Nein. Nehmen Sie die Studiengänge für angehende Berufsschullehrerinnen und -lehrer: Die Tatsache des Lehrkräftemangels in den technischen Fächern der Berufsschulen führt eben nicht zwangsläufig dazu, dass die Hochschulen für dieses Fach werben. Da muss man also gemeinsam vorgehen.

Braucht man dafür gleich ein Hochschulgesetz? Es reicht doch, wenn Sie mit den Hochschulen Vereinbarungen treffen.

Solche Entwicklungen kriegen wir mitunter zu spät mit, und Vereinbarungen zu schließen ist nicht so einfach. Beispielsweise wenn es darum geht, dass die Hochschulen die Abbrecherquoten senken.

Vielleicht liegt es ja am Geld!? Die Landesrektorenkonferenz argumentiert, dass die Hochschulen in NRW bundesweit am schlechtesten ausgestattet sind. Die Folge: Viele Veranstaltungen sind überfüllt, in manche Kurse kommt man als Studierender gar nicht rein. Das motiviert nicht zum Studieren.

In manchen technischen Fächern bricht knapp die Hälfte der Studierenden das Studium ab. Wer da nur mit Geld argumentiert, macht es sich zu einfach. Es gibt ja sogar Hochschulen, die damit kokettieren, dass bei ihnen so wenige durchkommen. Das werden wir uns auf Dauer nicht leisten können. Wir fangen im Kindergarten an, für technische Fächer zu begeistern, und verlieren dann an den Hochschulen in den ersten Semestern die Leute, die wir bis dahin gebracht haben. Gute Studienberatung, eine passgenaue Studieneingangsphase und die Begleitung der Studierenden in den unterschiedlichen Phasen des Studiums sind wichtig für den Studienerfolg. Da müssen die Hochschulen jetzt ran.

Gibt es nicht eine generelle Fehlsteuerung an den Unis? Die Lehre ist zweitrangig, Geld bringt nur die Forschung.

Stimmt. Die Lehre ist unterbewertet. Wir wollen mit dem Hochschulzukunftsgesetz dagegen angehen.

Wie?

Wir schaffen neue Möglichkeiten für Teilzeitstudiengänge und sorgen dafür, dass Leistungen anderer Hochschulen anerkannt werden.

Im Gesetzentwurf steht zum Thema Teilzeitstudium: Die Hochschulen „können“, „sollen“, „prüfen“. Sehr verbindlich ist das nicht.

Den einen regeln wir zu viel, den anderen zu wenig. Die Hochschulen sollen ja autonom bleiben.

Was die Kooperationen von Unis mit Unternehmen angeht, haben Sie einen Rückzieher gemacht. Projekte werden jetzt erst nach Beendigung öffentlich gemacht werden. Warum sind Sie eingeknickt?

Wir haben inhaltlich nichts verändert. Wir haben diesen Punkt nur präzisiert.

Sie berufen sich auf das sehr restriktive Informationsfreiheitsgesetz in NRW. In Brandenburg könnten Geheimverträge wie der zwischen Bayer Health Care und der Uni Köln veröffentlicht werden. Warum nicht auch in Nordrhein-Westfalen?

Nun hat Brandenburg eine etwas andere Forschungslandschaft. Aber auch wir wollen Transparenz über Forschungsvorhaben sicherstellen.

Das tun Sie aber nicht. Wir werden auch künftig nicht wissen, was im Vertrag zwischen Bayer und der Uni Köln steht.

98 Prozent der universitären Forschung werden öffentlich finanziert.

Wieso gelten für die restlichen 2 Prozent nicht die gleichen Transparenzregeln wie für öffentlich geförderte Projekte?

Auch das wollen wir transparent machen. Aber wir können Unternehmen nicht gleich zu Beginn abschrecken, indem wir sie zwingen zu verraten, woran sie gerade forschen. Dann würden sie woanders hingehen.

Ehrlich? Sobald Name, Laufzeit und die Höhe der Förderung veröffentlicht werden, wird Bayer aus Leverkusen nicht mehr in NRW forschen lassen?

Eine Veröffentlichung zu Beginn ist nicht für alle Projekte sinnvoll. Nehmen wir ein Unternehmen, das im Bereich Klebstoffe arbeitet: das will nicht, dass die Konkurrenz sofort erfährt, welche neuen Bereiche es erforschen lässt. Also sagen wir: Veröffentlichung ja, aber nach Abschluss.

Wenn es keine Rolle mehr spielt.

Natürlich spielt es dann noch eine Rolle. Das ist der richtige Mittelweg, um Forschung zu halten.

Es gibt aber auch ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, wo die Freiheit der Forschung durch wirtschaftliche Interessen gefährdet sein könnte.

Sie sind jetzt der Meinung, es gäbe zu wenig Transparenz. 99,9 Prozent der Kritik zielen aber darauf ab, dass unsere Änderungen zu weit gehen.

Wir sind aber die 0,1 Prozent. Gemeinsam mit Gruppen wie Attac und dem Asta der Uni Köln.

Drei Jahre lang, während wir am Gesetz gearbeitet haben, hat keine zivilgesellschaftliche Gruppierung Transparenz zum Thema gemacht. Attac saß auf der Tribüne, und jetzt kommen sie runter und verteilen Haltungsnoten. Was wir mit dem Gesetz erreichen, ist eine Menge.

Ist es nicht merkwürdig, dass Sie ein Gesetz machen und alle (!) sind dagegen: nicht nur die Rektoren, sondern auch die Gewerkschaften und die Grünen.

Wir haben das Gesetz mit unserem Koalitionspartner, den Grünen, zusammen gemacht. Und die Gewerkschaften finden den Entwurf insgesamt richtig: was den Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen anbelangt etwa. Natürlich ist das am Ende auch ein Prozess des Aushandelns.

Wie groß ist der öffentliche Druck auf Sie?

Wie erwartet hoch.

Enttäuschung herrscht auch, weil Sie die Hochschulräte schonen. Im Wahlkampf hieß es noch: Wir werden die Hochschulräte abschaffen. Aber: sie bleiben.

Auch das ist ein Schritt auf die Kritiker zu.

Sie haben die Hochschulräte sogar gestärkt.

Gestärkt?

Sie können jederzeit die Wirtschaftsangelegenheiten einsehen, wählen weiterhin die Hochschulleitung …

… aber nicht mehr allein, sondern gemeinsam mit dem Senat. Die Hochschulräte haben jetzt eine andere Aufgabe. Sie prüfen die Wirtschaftsangelegenheiten. Das ist doch sinnvoll, sie übernehmen die Aufsicht vor Ort.

Werden sich die Rektoren von den Hochschulräten weiterhin Gehaltssteigerungen um bis zu 50 Prozent genehmigen lassen können?

Ich beteilige mich nicht an einer Empörung über die Gehaltsstrukturen. Der harte Wettbewerb um die besten Köpfe spiegelt sich auch hier. Die Entwicklung der Gehälter der Rektoren und Kanzler ist rechtmäßig zustande gekommen. Trotzdem wird sich zukünftig etwas ändern. Das wird so nicht bleiben. Das Land ist künftig wieder Dienstvorgesetzter, nicht mehr der Hochschulrat.

Schrumpfen dann auch die Gehälter der Rektoren?

Nein. Die Rektoren verdienen von ihrem Grundgehalt her jetzt nicht viel mehr, als sie als Professoren verdient hätten. Und wir werden sie nicht schlechter bezahlen, sonst kriegen wir keine guten Leute.

Was meinen Sie dann damit: So wird es nicht bleiben?

Die Verhandlungen werden anders laufen.

Werden die Funktionsleistungsbezüge öffentlich?

Das wollen wir, ja.

Die Asten meckern, dass Sie ihnen eine Fachkraft für Finanzen an die Seite stellen wollen, die sie obendrein selbst bezahlen sollen.

Es gab ja ein paar spektakuläre Fälle von Partys, die nicht richtig abgerechnet wurden. Der Landesrechnungshof hat vorgeschlagen, einen Beauftragten des Rektorats in den Asta zu setzen, der die Geschäfte finanziell begleitet und prüft. Die Asten haben aber gemeint, bitte setzt uns da nicht jemanden aus der Hochschule in unser Büro, lasst uns das lieber selbst finanzieren.

Wie hätte Ihnen das denn gefallen, als Sie noch Asta-Vorsitzende in Bochum waren?

Also, wir hatten damals eine Sekretärin mit sehr viel Erfahrung in solchen buchungstechnischen Fragen im Asta.

Aber nach Ihrem Gesetz wäre diese heute nicht geeignet.

Ja, aber ich glaube, dass es sinnvoll ist, wenn man mit Anfang zwanzig einen Millionenetat verwaltet, dass man jemand an der Seite hat, der sich mit solchen Fragen auskennt.

Sie wären dankbar gewesen?

Ich hätte es wahrscheinlich auch nicht toll gefunden, aber eingesehen, dass es sinnvoll ist. Viele würden sich wundern, wie komplex eine solche Prüfung ist.

In der ganzen Debatte schon mal an Rückzug gedacht?

Nein, mir war vollkommen klar, das wird keine einfache Geschichte. Aber wenn man in die Küche geht, dann weiß man, es kann auch heiß werden.

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