Kulturbrauerei: Ein Keller voll schnurrender Projektoren

Der Hamburger Installationskünstler Jürgen Lossau zeigt kurze Super-8-Filme aus dem Privatfundus von Berlinern und verwandelt den Bierfasskeller der Kulturbrauerei in ein Museum. 100 Filmprojektoren sind bei der Aktion im Einsatz.

Rennwagen jagen sich auf der Avus in Grunewald, Artillerie und Panzer liefern sich Kämpfe in den Straßen, Grenzsoldaten der DDR verfolgen Flüchtende, und ein kleines Kind planscht in der Badewanne. Mit fünfsekündigen Filmsequenzen wie diesen verwandelt der Hamburger Installationskünstler Jürgen Lossau die alten Gemäuer des Bierfasskellers unter der Kulturbrauerei für die nächsten vier Wochen in eine Zeitmaschine. Ob nun Berlin im Krieg, Berlin mit Mauer, Berlin in den 70ern oder Berlin nach der Wiedervereinigung - Lossau hat es geschafft, Material aus jeder wichtigen Epoche der Stadt zusammenzutragen.

Zwischen den Projektoren, die Lossau seine "Lieblingstiere" nennt, huscht der Künstler und Chefredakteur der Filmzeitschrift Schmalspur hin und her, justiert, überprüft und erklärt: "Die Geräte sind über 30 Jahre alt und entsprechend fragil." Mit diesem Projekt habe sich der Super-8-Kamera-Fan einen Traum erfüllt. "So eine Ausstellung hat es noch nie zuvor gegeben - 100 Projektoren laufen hier gleichzeitig." Angelehnt an die Projektorenzahl, trägt die Ausstellung den Titel: "100x Berlin".

Dass sich die Ausstellung ausgerechnet mit der Geschichte Berlins befasst, liege daran, dass "es vergleichsweise viele Super-8-Aufnahmen über die Stadt gibt". Über 3.000 Meter Film hat Lossau über ein Jahr auf Flohmärkten und über die Internetplattform eBay zusammengesucht.

Allerdings sei die Ausstellungsdauer auch eine "Belastungsprobe" für Projektoren und Filme. "Die Geräte haben ihre besten Jahre hinter sich", erklärt der 47-Jährige. Für den Fall, dass es Probleme gibt, stehen 60 Ersatzprojektoren bereit, außerdem sind zwei Techniker im Einsatz. "Ich wurde kritisiert, den Filmen durch die Dauerbelichtung ihr Leben zu nehmen", sagt der Künstler. Um ein Verblassen der historischen Bildaufnahmen zu verhindern, tauscht er die Filme ständig aus.

Durch die kühlen Hallen des Bierfasskellers, der zum ersten Mal nach seiner Renovierung öffentlich zugänglich ist, schlendern die Ausstellungsbesucher Daniela Saegebrecht und Harald Rauh aus Falkensee. "Mir gefällt das Zusammenspiel der Projektorengeräusche und der Filme. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Projektoren, wenn sie länger laufen, einen Eigengeruch entwickeln", schwärmt Rauh. Saegebrecht hingegen ist erstaunt, "was Amateurfilmer für Schätze aufgenommen haben, die auch aus Historienfilmen stammen könnten".

Im Hintergrund flirrt das Bild eines Mannes, der den Springbrunnen auf dem Alexanderplatz erklimmt. "Genau so war das damals", sagt Saegebrecht, die in Berlin aufwuchs.

"Ich hoffe, dass sich die Besucher in den Bildern wiedererkennen und an das Lebensgefühl der damaligen Zeiten erinnert werden", sagt Lossau und widmet sich im nächsten Moment wieder seinen "schnurrenden Lieblingen", die, wenn man sich ihnen nicht vorsichtig genug nähere, auch "beißen" würden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.