„In Würde gedenken“

TEMPELHOF Zur Öffnung des Tempelhofer Feldes erinnert eine Initiative an die Nazi-Verbrechen dort. Es fehle noch immer ein Gedenkort, sagt Beate Winzer

■ 40, engagiert sich seit 1986 für eine Gedenkstätte für die Nazi-Opfer von Tempelhof und ist Mitglied vom „Mieterrat Chamissoplatz“.

taz: Frau Winzer, was planen Sie für den 8. Mai?

Beate Winzer: Wir wollen einfach nur einen Kranz niederlegen und damit der Häftlinge und Zwangsarbeiter gedenken, die auf dem Flughafengelände zu Tausenden inhaftiert und ermordet wurden oder sich zu Tode geschuftet haben. Aber das war gar nicht so einfach.

Welche Schwierigkeiten gab es denn?

Ich sage es mal ganz deutlich: Auf dem Tempelhofer Feld wollen sie lieber feiern als gedenken. Bei der Sicherheitskonferenz zur Flughafenöffnung hat uns die Senatsverwaltung plötzlich als Sicherheitsrisiko eingestuft. Aber wir wollen keine Demo veranstalten oder die Feierlichkeiten stören, wir wollen einfach nur in Würde der Opfer gedenken. Die Öffnung zu feiern ist ja gut, aber die Geschichte kann ich doch an solch einem Tag und auf dem Gelände eines der größten Nazi-Rüstungsbetriebe nicht ausblenden.

Was fordert Ihre Initiative?

Seit 1986, damals war ich noch Sprecherin der Kreuzberger SPD-Jugend (Jusos), engagiere ich mich in einem Projekt mit überlebenden Häftlingen des Konzentrationslagers Columbiahaus. Sie sind heute fast alle tot. Seit damals fordern wir eine Gedenkstätte für diese Häftlinge und für die Zwangsarbeiter am historischen Ort.

Wie könnte die aussehen?

Das Flughafengebäude ist eines der größten Gebäude der Welt. Da muss es doch möglich sein, einen Teil für eine historische Ausstellung zum KZ und zu den Zwangsarbeitern zu nutzen. Im Nutzungsplan ist schließlich auch ein alliiertes Museum vorgesehen. Da kann man die vorherige Geschichte nicht außen vor lassen. Außerdem gehören auch die neueröffnete Topographie des Terrors und das Columbiahaus zusammen. Direkt aus dem KZ kamen die Häftlinge zum Verhör in die Gestapozentrale. Das Columbiahaus ist Teil unserer Geschichte und muss mit berücksichtigt werden.

Wie schätzen Sie die Chancen dafür ein?

Eigentlich hat uns schon in den 1990ern der Volksbildungsstadtrat, damals Klaus Wowereit, eine Gedenkstätte versprochen. Ich habe immer wieder gemahnt und wir haben auch die Unterstützung aller örtlichen Parteien. Aber das Interesse der Senatsverwaltung ist gering.

■ Konzentrationslager Columbiahaus: Auf dem Gelände des Flughafen Tempelhof waren zwischen 1933 und 1936 rund 8.000 politische Gegner Hitlers inhaftiert.

■ Zwangsarbeiterlager: Vor der zivilen Nutzung diente das 1936 von den Nazis errichtete Flughafengebäude als gigantischer Rüstungsbetrieb. Tausende ZwangsarbeiterInnen schufteten hier und waren in zwei riesigen Barackenlagern untergebracht.

■ Gedenkveranstaltung: Am 8. Mai lädt der Mieterrat Chamissoplatz zu einer Gedenkfeier. Treffpunkt ist 11.30 Uhr im Foyer des Hauptgebäudes. (taz)

Woher kommt Ihr persönliches Engagement?

Meine Großväter waren Mitglieder bei SA und SS. Als Täterenkelin fühle ich mich konkret verpflichtet, die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten. Außerdem sehe ich das als persönliche Verpflichtung angesichts wachsenden Rassismus und Antisemitismus.

INTERVIEW: MANUELA HEIM