Gesundheitsdienst schließt: Soldiner Kiez bleibt außen vor

Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst im Soldiner Kiez muss schließen. Ärzte befürchten nun eine steigende Zahl vernachlässigter Kinder.

Zum Herbst schließt die letzte Außenstelle des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes im Wedding. Bild: dpa, Tobias Hase

Der Bezirk Mitte schließt die letzte Außenstelle seines Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes (KJGD) im Wedding. Zum Herbst sollen sämtliche Beratungsstellen und medizinischen Dienste im Haus der Gesundheit an der Reinickendorfer Straße zusammen gefasst werden. Die zehn betroffenen Ärzte, Krankenschwestern und Sozialpädagogen, die bislang mitten im Soldiner Kiez tätig waren, müssen umziehen. Mit der Zentralisierung der Räumlichkeiten will der klamme Bezirk rund 46.000 Euro im Jahr einsparen.

Dass ausgerechnet im sozialen Brennpunkt Soldiner Kiez eine Anlaufstelle für Eltern wegfällt, erregte die Empörung einiger Kinderärzte vor Ort. 15 von ihnen wandten sich vorige Woche in einem offenen Brief an Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD). Darin kritisieren sie die Sparpläne des Senats. Sie befürchten, dass die Zahl vernachlässigter Kinder steigen wird, weil durch die Zusammenlegung etwa 1.200 bis 1.300 Kinder außerhalb des "Kinderwagenradius" der nächsten Beratungsstelle bleiben werden. "Ist sich das Bezirksamt der Kostenlawine bewusst, die es mit den dann zunehmenden sozialen Problemen lostritt?", fragen die Verfasser des Briefs. Im KJGD erhalten Eltern kostenlose kinderärztliche und sozialpädagogische Betreuung.

"Die räumliche Zentralisierung ändert absolut nichts an unserem Angebot", beteuert dagegen Matthias Brockstedt, Leiter des KJGD Mitte. SozialarbeiterInnen würden weiterhin jede Familie mit einem Neugeborenen aufsuchen und später nach Bedarf Hausbesuche machen. Außerdem sei die Beratungsstelle in der Reinickendorfer Straße auch für Eltern aus dem Soldiner Kiez per Straßenbahn gut erreichbar. "Wer uns braucht, der kommt zu uns", sagt Brockstedt. Dies hätten Erfahrungen aus Moabit gezeigt, wo nach der Schließung einer Außenstelle weiterhin Eltern aus dem ganzen Bezirk zu den Sprechstunden kämen. Einzelne werde man durch die Zentralisierung wohl verlieren, doch angesichts der finanziellen Zwangslage des Bezirks gebe es keine Alternative. "Lieber Räume verlieren als Mitarbeiter", sagt Brockstedt - und beruft sich dabei auf den pragmatischen Kurs von SPD-Bürgermeister und Grünen im Bezirk.

"Unsere Haushaltslage ist dramatisch", sagt auch Signe Stein, fachpolitische Sprecherin für Gesundheit der Grünen. Im November habe Mitte einen Konsolidierungshaushalt beschlossen, der Einsparungen in Höhe von knapp sieben Millionen vorsehe - etwas weniger, als Finanzsenator Ulrich Nussbaum (parteilos) fordert. "Mehr Einsparmöglichkeiten bei der Gesundheit sehe ich definitiv nicht", sagt Stein. Schon jetzt könne der Bezirk nur noch mühsam Pflichtleistungen wie die Reihenuntersuchung zur Einschulung aufbringen. An Prävention zu sparen, hält Stein grundsätzlich für falsch, die geplante Schließung des KJGD-Außenpostens aber für einen "vertretbaren Schritt". KJGD-Chef Brockstedt macht sich indes Sorgen über den Brandbrief der Kinderärze. Dieser sei gut gemeint, aber keine Hilfe bei den Verhandlungen mit dem Finanzsenator. Ihm sollen die Bezirke am 5. Juni ihre Einsparvorschläge präsentieren.

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