Frühe Hilfe, schnelle Strafe

THESEN In ihrem Buch konstatiert Kirsten Heisig eine Brutalisierung Neuköllner Jugendlicher

„Wir müssen handeln. Jetzt“, schreibt Kirsten Heisig zu Beginn ihres am vergangenen Montag erschienenen Buchs „Das Ende der Geduld“. Die Jugendrichterin, die sich Anfang Juli das Leben nahm, konstatiert eine schleichende Brutalisierung von Jugendlichen, die schwere Straftaten in immer jüngerem Alter ausübten. Gleichzeitig interessierten sich arabische und türkische Einwandererkinder nicht für die hiesige Wertordnung, was sich vor allem in ihrer Frauenverachtung zeige. Heisig bezieht sich dabei auf Neukölln, ihrem Zuständigkeitsbereich.

Laut Heisig versagten viele Eltern darin, ihren Kindern klare Grenzen aufzuzeigen – oder böten gar selbst Lebensbedingungen, die Gewalt förderten. Dies beträfe vor allem einige kriminelle arabische Großfamilien, die auch Kinder aus dem Libanon für den Drogenhandel nach Berlin schleusen würden.

Die Behörden würden bei einem „Abrutschen“ der Jugendlichen zu lange nur zuschauen. Fast jeder junge Intensivtäter sei vorher auch Schulschwänzer gewesen. Es bedürfe eines besseren, engen Informationsaustauschs zwischen Schulen, Jugendämtern Polizei und Justiz, nötigenfalls auch unter Lockerung des Datenschutzes.

Neuköllner Modell

An erster Stelle der Gewaltbekämpfung stehe Prävention. Greife diese nicht, brauche es ein Frühwarnsystem und schnellere staatliche Reaktionen: zeitnahe Prozesse gegen die Jugendlichen (die sogenannten Schnellverfahren im „Neuköllner Modell“), Kurzarreste, Kürzungen des Kindergeldes, Unterbringung in geschlossenen Heimen. Eine Verschärfung der Jugendstrafgesetze lehnt Heisig jedoch ab.

Die erste Auflage des Buchs, 40.000 Exemplare, war bereits einen Tag nach Veröffentlichung ausverkauft. Inzwischen ist das Buch wieder erhältlich.

KONRAD LITSCHKO