Nazi-Band vor Gericht

Volksverhetzung Acht Männer sollen die Judenverfolgung verherrlicht haben

Den Neonazis hat es offenbar die Sprache verschlagen: Acht Männer zwischen 32 und 41 Jahren sitzen fast regungslos auf der Anklagebank im Saal 820 des Landgerichts. Fast eineinhalb Stunden – mit einer kurzen Unterbrechung. Die meisten der acht gehören zu zwei der wichtigsten deutschen Rechtsrockbands: „Deutsch, Stolz, Treue“, in der Szene gerne abgekürzt zu „D.S.T.“ oder „X.x.X.“, und „Burn Down“. Sie sind wegen Volksverhetzung angeklagt, weil sie eine CD mit rechtsextremen Liedern produziert und verbreitet haben sollen. In einem der Lieder – Titel: „Die Auserwählten“ – wird laut der Anklage die Verfolgung von Juden zur Nazizeit als Heldentat verherrlicht, ein anderes ziehe „Das Tagebuch der Anne Frank“ ins Lächerliche. Von den acht Angeklagten sind fünf einschlägig vorbestraft.

An diesem Montagmorgen reden nur ihre Anwälte. Ihre Strategie: Sie zweifeln die Textinterpretation der Staatsanwaltschaft an. Es könne nicht bewiesen werden, dass mit der Bezeichnung „die Auserwählten“ Angehörige der jüdischen Religion gemeint seien, erklärt einer der Anwälte. Auch gehe es in dem Lied „Es war einmal…“ nicht um Anne Frank. Dass die Verteidiger zum gleichen politischen Lager wie die Angeklagten gehören, wird deutlich, als einer mit der Staatsanwältin eine Diskussion über die Definition der „jüdischen Religion“ beginnen will. Die Staatsanwältin geht darauf nicht ein.

Enges Netzwerk

Zumindest „X.x.X“ gilt nach Aussage des Berliner Verfassungsschutzes als fester Bestandteil der rechtsextremen Musikszene. Sie sei eingebunden in ein enges Netzwerk aus anderen Rechtsrockbands der Region, die sich gegenseitig bei Logistik und dem Verkauf von CDs unterstützen.

Einer der Angeklagten ist Polizeihauptmeister der Berliner Landespolizei. Und einem anderen wird noch mehr als Volksverhetzung vorgeworfen. Der 32-jährige Philip Sch. soll eine Pumpgun samt Munition besessen und Pullover mit einem SS-Totenkopf verkauft haben – in einem „Werwolfshop“ in Wismar in Mecklenburg-Vorpommern.

Dass einige der Anklagepunkte sich nicht auf Berlin beziehen, versuchen die Verteidiger zu nutzen. Weil die rechten CDs teilweise auch in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern verkauft worden waren, halten sie das Landgericht Berlin für nicht zuständig und stellen einen Antrag auf Verlegung des Prozesses. Wohin, ist unklar.

Elf Termine angesetzt

Nach eineinhalb Stunden wird die Sitzung vertagt. Das Gericht hat angekündigt, den Antrag der Verteidiger zu prüfen. Bisher sind elf weitere Prozesstermine angesetzt. Der nächste findet bereits am Donnerstag statt.

Im Publikum, in dem gut zehn offensichtliche Unterstützer aus der rechten Szene sitzen, stößt das Vorgehen der Verteidiger auf Wohlwollen. Mehrfach grinsen sie über deren Argumentation. Kurz nach Ende des ersten Prozesstages verschwinden die meist kurzgeschorenen Männer so, wie sie gekommen waren: als Gruppe. Mirjam Schmitt