Vivantes will entschädigen

WHISTLEBLOWING Klinik bietet entlassener Mitarbeiterin 70.000 Euro an

„Bis heute hat sich niemand von Vivantes bei mir entschuldigt“

WHISTLEBLOWERIN BRIGITTE HEINISCH

Der Klinikbetreiber Vivantes strebt eine außergerichtliche Einigung mit der entlassenen Altenpflegerin Brigitte Heinisch an und hat ihr am Montag 70.000 Euro geboten. „Wir wollen einen Rechtsfrieden mit Frau Heinisch erreichen“, sagte Vivantes-Sprecherin Kristina Tschenett am Dienstag. Heinisch zeigte sich dagegen befremdet über das per Pressekonferenz angebotene Geld.

Die Altenpflegerin hatte im Jahr 2004 Strafanzeige gegen ihren landeseigenen Arbeitgeber Vivantes erstattet, weil das Unternehmen zu wenig Personal habe und deshalb nicht in der Lage sei, die Bewohner eines Pflegeheims ausreichend zu versorgen. Daraufhin wurde ihr gekündigt. Die deutschen Gerichte bestätigten die Kündigung. Doch Heinisch und ihr Anwalt Benedikt Hopmann klagten durch alle Instanzen, bis schließlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschied: Die Meinungsfreiheit der Pflegerin wurde verletzt, Heinisch stehen 15.000 Euro Entschädigung zu. Für den Schutz der sogenannten Whistleblower, die mit dem Risiko eigener Nachteile Missstände in Unternehmen aufdecken, sei dies ein wegweisendes Urteil, sagte Hopmann nach der Entscheidung.

Die Entschädigung muss von der Bundesrepublik gezahlt werden. Bis zum 21. Oktober kann die Regierung dagegen Rechtsmittel einlegen. Für den Fall, dass sie darauf verzichtet, hatte Heinischs Anwalt angekündigt, eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu beantragen. Ziel ist es, die Kündigung von 2005 für unwirksam zu erklären. Vivantes müsste dann Gehalt und Betriebsrentenansprüche der über die jahrelangen Auseinandersetzungen schwer erkrankten Heinisch nachzahlen.

70.000 Euro seien fair

Ein neues Verfahren will Vivantes wiederum vermeiden. Die 70.000 Euro seien ein faires Angebot, das die denkbaren finanziellen Ausgleichsansprüche abgelten würde, erklärte Tschenett. Eine Antwort vom Anwalt Heinischs habe Vivantes noch nicht erhalten. Auch den Wunsch, wieder eingestellt zu werden, habe Heinisch nicht geäußert. Der Anwalt war am Dienstagnachmittag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Über das Angebot von Vivantes zeigte sich Heinisch „sehr befremdet“. Sie verstehe nicht, warum das Unternehmen jetzt Vergleichsverhandlungen in der Öffentlichkeit austragen wolle, sagte sie der taz. Vivantes hatte das Angebot auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Mit ihr habe jedenfalls vorher niemand gesprochen, so Heinisch. „Und vor allem hat sich bis heute niemand von Vivantes bei mir entschuldigt“, so Heinisch. (dpa, taz)