Autobrandstifter verurteilt: Bewährungsstrafe für Zündel-Pärchen

Ein betrunkenes Paar reagiert seinen Kummer an einem BMW ab, der vollständig ausbrennt. Das Urteil bleibt weiter unter der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Mit ängstlichen Mienen sitzen sie nebeneinander, sehen einander nicht an. Und doch man spürt, wie sich Anne J. und Mathias T. gegenseitig stützen. "Ich hoffe, dass ich von Anne nicht getrennt werde", sagt der Angeklagte am Ende des Prozesses um ein brennendes Auto vor dem Amtsgericht Tiergarten. Sein Wunsch erfüllt sich: Die Richterin verurteilt das geständige und reuige Paar zu 22 Monaten Haft auf Bewährung. Zusätzlich muss jeder 300 Stunden Freizeitarbeit leisten, "um Struktur in ihr Leben zu bringen", sagt die Vorsitzende. Es ist eine milde Strafe für zwei Trittbrettfahrer, die der Staatsanwalt unter "generalpräventiven Aspekten" für deutlich mehr als zwei Jahre in Haft stecken wollte.

Am frühen Morgen des 30. August waren der 28-jährige Arbeitslose und die 23-jährige Imbiss-Aushilfe ganz schön neben der Spur: In seinem Blut stellte man später 2,51 Promille fest, bei ihr 1,53. Da beschlossen sie ein Auto anzuzünden. Was sie damit bezweckten, konnten sie dem Gericht nicht erklären. An einer Tankstelle kauften sie flüssigen Grillanzünder. Damit übergossen sie Papier, Äste und Spanplatten, die sie an einer Gartenkolonie in der Ibsenstraße im Prenzlauer Berg gefunden und unter einem Firmen-BMW als Haufen drapiert hatten. Sie entzündeten das Ganze und filmten mit dem Handy ihre Tat.

Diese bezeichnet der Ankläger als "eine nicht gängige, aber offensichtlich effiziente Form der Brandlegung". Der BMW wurde komplett zerstört. Auch ein benachbarter VW und ein Mercedes fingen Feuer. Ein Sachschaden von 20.000 Euro entstand. Ein Zeuge hatte die Zündler beobachtet, die schnell gefasst und verhaftet wurden.

Dabei haben die beiden ohnehin genug Probleme. Ihre Verteidigerinnen benennen diese im Schnelldurchlauf, die Angeklagten selbst sind zu aufgeregt. Er sei bei seinen Eltern in Kühlungsborn aufgewachsen, gibt der junge Mann mit den großen Augen und dem präzise gescheitelten Haar zu Protokoll. Sein Vater habe ihn unter Leistungsdruck gesetzt, "er war mein Fußballtrainer". Um ihn zu ärgern, sei er in einen Chor eingetreten und lernte Lambada-Tanzen. Nach der Trennung seiner Eltern begann der Elfjährige zu trinken. Mit zwölf musste er das Gymnasium verlassen, mit 14 zog er ins betreute Wohnen nach Berlin. Abiturpläne scheiterten an der fehlenden zweiten Fremdsprache. Eine Lehre als Zierpflanzengärtner brach er nach sechs Monaten ab, er begab sich zum Entgiften in ins Krankenhaus. Dort erfuhr er im Frühjahr von einem inoperablen Hirntumor. Nach dieser Diagnose habe er sich in Alkohol und Drogen geflüchtet, bis er mit seiner Freundin zündelte.

Auch deren Situation war instabil. Zwar hat die Grafik-Designerin im Gegensatz zu ihrem Freund eine Ausbildung und keine Vorstrafen. Aber schon vor der Tat litt sie unter Depressionen und Angstzuständen, die sich wegen der Sorgen um ihren Freund verstärkten. "Ich möchte nur sagen, dass es mir leidtut", sagt die zierliche Stupsnäsige kurz vor dem Urteilsspruch. Man glaubt beiden die Reue und den Schock über die U-Haft. Als ihre Verteidigerin von der dortigen Isolation spricht, wischt sich die Angeklagte die Tränen aus dem Gesicht.

Erleichtert reagieren beide auf das Urteil. Mathias J. nickt sogar, als die Richterin von den generalpräventiven Aspekten spricht, die sie berücksichtigen müsse: "Diese Stadt wird seit Monaten durch Brandanschläge in Atem gehalten. Sie sind ein Teil dieses Szenarios. Sie tragen dazu bei, die Bevölkerung zu beunruhigen, denn Trittbrettfahrer sind die, die das am Laufen halten."

Allerdings soll das Paar im Vergleich zu anderen Tätern auch nicht unangemessen hart bestraft werden. Das Gericht berücksichtigt die objektiven Umstände wie den Alkohol, der zumindest Mathias T. in den Zustand der verminderten Schuldfähigkeit brachte, aber auch seine vier Vorstrafen wegen Schwarzfahrens, Beleidigung und Diebstahls. Zur subjektiven Seite sagt die Richterin dagegen: "Keine Straftat lässt sich mit der Lebenssituation rechtfertigen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.