Das Potsdamer Stadtschloss: Die große Feier für den Zwitter-Landtag

Zum Richtfest für das Stadtschloss sind nicht alle zufrieden. Der Bau wird der Stadt auf jeden Fall mehr Neobarock bescheren

Blick von der Nikolaikirche auf die Schlossbaustelle Bild: dpa

Hasso Plattner wird nicht am Richtfest für den neuen Brandenburger Landtag teilnehmen. Der Mäzen und Software-Milliardär, ohne dessen 20 Millionen-Euro-Spende die 119 Millionen teure Schlossrekonstruktion am Alten Markt erst gar nicht zustande kommen würde, weilt in der Südsee. Vielleicht erscheint er ja zur Eröffnung Mitte 2013, frotzelt man im Potsdamer Finanzministerium, dem Bauherrn des Stadtschlosses. Dann wird wohl auch die barocke Fassade in Altrosa am Beton kleben, die Plattner mit seinem Geld finanziert hat. Das macht sicher mehr her.

Potsdams neuer Landtag, über dem am Donnerstag der Richtkranz von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), dem Architekten Peter Kulka (Dresden) und vielen Schlossfans in der Stadt hochgezogen wird, gleicht noch einem nackten Betonklotz. 25.000 Kubikmeter Beton und 3.600 Tonnen Stahl wurden seit Anfang 2011 für den 143,5 mal 95,5 Meter großen und 15 Meter hohen Kubus in der Figur des ehemaligen Stadtschlosses an dessen historischer Stelle verbaut. Die riesige Brache zwischen Marstall, Altem Rathaus und Lustgarten in der Potsdamer Stadtmitte ist verschwunden. Wer vom Hauptbahnhof die Lange Brücke überquert, stößt auf einen massigen Gebäuderiegel, der sogar Schinkels gewaltige Nikolaikirche verdeckt. Es ist, als sei ein betongrauer Meteorit am Alten Markt gelandet.

Der Rohbau lässt die Dimensionen des Schlosses bereits erahnen: Im Norden der insgesamt 15.100 Quadratmeter Nutzfläche erhebt sich das 2002 rekonstruierte Fortunaportal, durch das der Innenhof betreten werden kann. An den Blockecken treten die vier tempelförmigen Baukörper hervor, in denen einmal die Besprechungssäle untergebracht werden. Die beiden langen Seitenflügel links und rechts des Innenbereichs sollen die Büros der Fraktionen und die für die Verwaltung aufnehmen. Der Innenhof, betont Thomas Vieweg vom Bauherrn, "soll einmal wie der gesamte Landtag für die Öffentlichkeit zugänglich sein".

Am Donnerstagabend findet das öffentliche Richtfest für den Neubau des Landtages Brandenburg statt. Eingeladen sind alle BürgerInnen, die Baustelle zu besichtigen. Ab 17 Uhr kann man den Innenhof hinter dem Fortunaportal betreten. Um 18 Uhr beginnen die Richtfestfeiern. Zum Abschluss wird es eine Lasershow samt Essen und Trinken geben.

Das Potsdamer Stadtschloss, von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff in den Jahren 1744 bis 1751 gebaut, war bis zu seiner Zerstörung 1945 eines der Hauptwerke des friderizianischen Barocks. 1960 wurde es von der SED abgerissen, 2005 sein Wiederaufbau beschlossen.

Im Süden schließlich - gegenüber dem Mercure-Hotel - befindet sich im Hauptbau des Landtags der große Plenarbereich. Mitte 2013 werden in dem zentralen und modernen, runden und zweigeschossigen Plenarsaal (1.250 Quadratmeter für 80 bis 120 Parlamentarier, sollte Berlin mit Brandenburg fusionieren) die Abgeordneten unter einer Lichtkuppel einziehen. Sichtbar ist ebenso, dass im Erdgeschoss und im ersten Stock große Flächen für die Presse, die Präsidial- und Direktionsräume geplant sind. Weite Treppenhäuser, Foyers und Vorfahrten rahmen den Plenarbereich. Darüber sollen sich die kupfernen Dächer erheben, unter welche die Bibliothek und ein Landtagsrestaurant einziehen werden.

Über diese Dachkonstruktion gibt es jetzt Streit, weil die Kupferdächer den Bau um Monate verzögern: Ursprünglich war ein Titanzinkdach geplant. Da Plattner kurzfristig 1 Million Euro für die historische Anmutung des Dachs zuschoss, "muss jetzt der Ablauf überarbeitet werden. Alte Aufträge sind zu stornieren und neue zu verteilen", wie Jens Heindorf, zuständiger Projektleiter des Bauträgers BAM, sagte. Unklar sei zudem, was mit dem gefertigten Zinkdach werde.

Es ist nicht die einzige heikle Baustelle, mit welcher der neue Landtag - mitten im Richtfest-Hype - zu kämpfen hat. Das umstrittene barocke Außenkonzept und die moderne Innengestaltung, Form und Inhalt, stehen weiter in der Kritik.

Bemerkenswert dabei ist, dass weniger die Schlossgegner als vielmehr die Unterstützer des Bauvorhabens querschießen. Sie fühlen ihr preußisches Baujuwel in Gefahr oder gar verraten. Die Brandenburger Bürger und Politiker hatten sich nach langer Debatte, von 1989 bis 2006, für die Rekonstruktion des von Bomben zerstörten und der SED 1960 abgetragenen Knobelsdorff-Baus als Landtag ausgesprochen. Der Verein Potsdamer Stadtschloss dagegen moniert bis heute, dass die Funktion eines modernen Arbeitsparlaments den "originalgetreuen Wiederaufbauwunsch" geradezu konterkariere. "Es ist nicht mehr das Stadtschloss Friedrichs des Großen, sondern ein moderner Landtag", wird Architekt Peter Kulka vorgehalten.

Gerhard Kessler von der Initiative "Mitteschön" schüttelt ebenso den Kopf über die "sogenannte Anlehnung des Neubaus an das historische Erscheinungsbild", wie die BAM ihr Schlossprogramm versteht. Wenn schon, dann richtig, ist Kesslers Meinung. Es fällt jetzt auf den neuen Bau zurück, dass sich die Politik 2006 nicht eindeutig entscheiden wollte: entweder für ein modernes Parlamentsgebäude, wie damals die Potsdamer Linke und zahlreiche Architekten forderten, oder für ein rekonstruiertes Barockschloss am Alten Markt. Beides geht schlecht.

Richtig ist, dass der Zwitter Schloss-Landtag zu problematischen Eingriffen in das historische Gebäudevolumen und die Fassade geführt hat. Statt drei wird es vier Stockwerke und ein Dachgeschoss geben. Eine Tiefgarage gräbt sich unter das Bauwerk. Der südliche Hauptflügel wird etwas verbreitert, sodass der Innenhof kleiner wirkt. Der Plenarsaal und die Büroräume verändern die einstigen Raumfolgen aus der Zeit Friedrichs des Großen. Das Treppenhaus wird ungefähr - nicht originalgetreu -rekonstruiert. Schließlich ist offen, ob und wann der Skulpturenschmuck aus 76 Attikafiguren wieder auf das Dach kommt.

Fast symptomatisch für diese Unentschiedenheiten ist der aktuelle Krach um die Fenster, der gerade rechtzeitig zum Richtfest geschlichtet werden konnte. Nachdem der renommierte Berliner Fensterbauer Hans Timm gerüffelt hatte, in den Landtag würden "08/15"-Fenster eingebaut, die mit dem barocken Vorbild nichts zu tun hätten, kratzen das Land und die BAM die Kurve zum originalen Schlossfenster. Alle Fenster des Parlamentsneubaus sollen den Vorbildern aus Zeiten des Barockschlosses entsprechen, sagte Ingrid Mattern, Sprecherin des brandenburgischen Finanzministeriums.

Das öffentliche Richtfest und die Tatsache, dass der Raum in der historischen Mitte Potsdams wieder gestaltet wird, dürften die Widersprüche und politischen Hakeleien sicher etwas besänftigen. Umso mehr, weil der Bau "in der Summe mehr ist als das Schließen einer städtebaulichen Lücke", wie Finanzminister Helmuth Markov (Linke) betont.

Denn neben seiner Funktion als demokratische Institution erhält das Stadtschloss die Rolle als Motor der neobarocken Innenstadtentwicklung. Dass das Schloss diese Rolle gut spielen wird, ist sichtbar im "Leitbauten-Konzept", das die Stadt erarbeitet hat und das von neuen historisierenden Palazzi wie dem Palazzo Barberini rund ums Schloss nur wimmelt. Berlins Schlossfans werden neidisch auf Potsdam schauen. Es wird in dessen Mitte bald noch mehr Richtfeste geben. Potsdam ist schwer auf dem Weg zurück nach Preußen.

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